Das Comic »Noah« von Darren Aronofsky, dem Regisseur des Noah-Films, gibt uns einen Vorgeschmack auf Inhalt, Stil und Botschaft des Hollywood-Blockbusters, der im Frühjahr 2014 in die Kinos kommen wird.
Laut biblischem Bericht baute Nimrod nach der Sintflut unter anderem die Städte Babel, Erech, Akkad und Kalne. Im ersten Band des Noah-Comics ist Akkad der Gegenspieler Noahs. Ein furchteinflößender und unbarmherziger Anführer der widerlichen Nashornjäger. Diese Gegenspieler gibt es in der Bibel nicht. Die Bibel betont nur: »Aber die Erde war verderbt vor Gottes Augen und voller Frevel.« (Genesis 6,11)
Die Verbindung mit der akkadischen und sumerischen Kultur, auf die hier angespielt wird, zeigt andererseits, dass die biblische Sintflut-Geschichte nicht allein steht. Im berühmten Gilgamesch-Epos heißt es:
»Rohrhütte! Rohrhütte! Wand! Wand! Höre, o Rohrhütte! Halle wider, o Wand!
Du Mensch aus Schuruppak, Sohn des Ubara-Tutu!
Reiß nieder dein Haus, bau dir ein Schiff!
Laß fahren all deine Habe, dein Leben suche zu retten!
Schwör ab dem Besitz und gewinne das Leben!
Nimm allerlei lebend'gen Samen in dein Schiff hinein!«
[Hermann Ranke: Das Gilgamesch-Epos, 2006, S. 84]
Worte, die uns ein wenig bekannt vorkommen. In der Tat bietet das Epos über den mesopotamischen Sintfluthelden »Utnapischtim« überraschende Parallelen zur Bibel. Außerbiblische Quellen wie die Utnapischtim-Erzählung oder das noch ältere Atrahasis-Epos, die mesopotamischen Königsliste, deren Noah-Version »Ziusudra« viel später vom babylonischen Geschichtsschreiber Berossos als »Xisuthros« wiederholt wird – sie alle bestätigen zusammen mit weiteren Überlieferungen in unterschiedlichen Kulturen Asiens, Amerikas und des Nahen Ostens die geschichtliche Wahrheit der Sintflut.
Im Comic lässt Akkad Noah aus der Stadt werfen und rächt sich danach, in dem er Noahs Siedlung dem Erdboden gleichmacht. Nach einer neuen Vision, in der Noah die verwesenden Kreaturen auf dem Meeresgrund zu Gesicht bekommt, macht er sich mit seiner Familie auf zum Berg Ararat. In der Bibel spielen die »Berge von Ararat« erst bei der Landung der Arche eine Rolle. Auch dort treffen die Wanderer Zerstörung an, finden aber als Überlebende das Mädchen Ila, das später Sems Frau werden wird.
Eine besondere Rolle in der weiteren Geschichte spielen im Comic die Riesen. Eingeleitet wird ihr Auftreten mit der Bibelstelle: »In jenen Tagen gab es auf der Erde die Riesen. Das sind die Helden der Vorzeit, die berühmten Männer.« (Genesis 6,4). Bei Comicautor und Filmregisseur Darren Aronofsky sind diese furchterregenden »Nephilim« sechsarmige riesige Wesen, die sich nach kurzer Zeit mit Noah verbünden und ihm schließlich beim Bau der Arche helfen.
Ein Riese namens Og erklärt Noah ihre Herkunft: »Gott erschuf uns am zweiten Tag, dem Tag, als er das Paradies machte. Wir hielten uns an seiner Seite und beobachteten, wie die Schöpfung entstand.« Sie seien Zeuge des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradies gewesen und hätten die Menschen dann als gefallene Engel Magie, Wissenschaft und Metallverarbeitung gelehrt. Die Menschen hätten mit diesem Wissen Waffen geschmiedet, Tiere gejagt, Kriege geführt und die Riesen versklavt und vertrieben.
Hier haben die Autoren frei ihre Fantasie spielen lassen, doch die schwer zu verstehenden Verse in Genesis 6,1–4 lassen auch allerhand Spielraum für Spekulationen: »Als aber die Menschen sich zu mehren begannen auf Erden und ihnen Töchter geboren wurden, da sahen die Gottessöhne, wie schön die Töchter der Menschen waren, und nahmen sich zu Frauen, welche sie wollten. Da sprach der HERR: Mein Geist soll nicht immerdar im Menschen walten, denn auch der Mensch ist Fleisch. Ich will ihm als Lebenszeit geben hundertundzwanzig Jahre. Zu der Zeit und auch später noch, als die Gottessöhne zu den Töchtern der Menschen eingingen und sie ihnen Kinder gebaren, wurden daraus die Riesen auf Erden. Das sind die Helden der Vorzeit, die hochberühmten.«
Ob mit diesen Versen Vorstellungen eines göttlichen Königtums verbunden sind, das die Abkehr vom Schöpfer und die Geltungssucht des Menschen in den Mittelpunkt stellt, oder ob mit dem hebräischen Wort »Nephilim«, das mit »Riesen« übersetzt wird, tatsächlich gefallene Engel gemeint waren, lässt sich nicht mit Sicherheit sagen. Die sprachliche Verwandtschaft mit dem Wort »naphal«, das »fallen« bedeutet, scheint jedoch kein Zufall zu sein. Auch ein Vers aus dem Neuen Testament könnte eine solche Interpretation unterstreichen: »Auch die Engel, die ihren himmlischen Rang nicht bewahrten, sondern ihre Behausung verließen, hat er für das Gericht des großen Tages festgehalten mit ewigen Banden in der Finsternis.« (Judas 6)
In einer Höhle des Berges Ararat trifft Noah sich danach mit seinem Großvater Metuschelach, nach der Bibel der älteste Mensch, der je gelebt hat. Dieser übereicht Noah einen Samen, der in einer neuen Welt neues Leben bringen soll. Mit dem wunderbaren Wachsen eines Waldes endet der erste Comicband. Genügend Holz für den Bau steht nun bereit: »Und nun geh und hol meine Axt!«.
Timo Roller