Mose 2014

Der (un-)biblische Abschluss eines Kinojahres

28.12.2014

Es gibt jede Menge berechtigter Kritik gegenüber Darren Aronofskys eigenwilliger »Noah«-Verfilmung: Fantasy-Steinmonster, fehlende Frauen für Ham und Jafet, eigenwillige apokryphe oder gar okkulte Anspielungen, ein grausamer Noah, der sich seiner Berufung nicht sicher ist und zur Überzeugung gelangt, die Menschheit müsse nach der Sintflut aussterben.

Die Botschaft des Films »Exodus – Götter und Könige« von Ridley Scott empfand ich als weitaus schlimmer und damit war diese Verfilmung des Auszugs aus Ägypten aus meiner Sicht die schlechtere der beiden Bibel-Blockbuster des Jahres 2014.

Christian Bale als Mose, zu Beginn ein ägyptischer Feldherr (Pressefoto)

Russell Crowe als »Noah« wurde im Laufe des Films ein immer unsympathischerer Zeitgenosse, eine Bedrohung für seine Familie und für die Menschheit. Gott selbst spielte nur eine sehr passive Rolle, Noah erfuhr seinen Auftrag in schrecklichen Visionen. Bei »Exodus« hingegen wird Gott (oder sein Bote) von einem etwa zehnjährigen Jungen dargestellt, der arrogant und herrschsüchtig seine grausamen Anweisungen und Ankündigungen an Mose (gespielt von Christian Bale) übermittelt und im Laufe des Films die Ägypter rücksichtslos unter den Plagen leiden lässt. Unfreiwillig komisch klingt es, wenn ein Kind als Synchronstimme Texte aufsagt, die göttlich-erhaben klingen sollen. Ich kenne die Originalversion nicht, aber solch ein Bote Gottes ist seltsam bis peinlich.

Jedenfalls wirkt »Gott« gnadenlos unsympathisch und Mose nimmt einen positiven Gegenpart ein. Auch der Pharao tritt eher bemitleidenswert verzweifelt auf. Nichts von den mehrmaligen Rufen zur Umkehr, mit denen Gott in der Bibel Mose und seinen Bruder Aaron zum Pharao schickt. Nur schwach kommt die hartnäckige Verstockung des Pharao zum Ausdruck, durch die die zehn Plagen erst in ihrem vollem Umfang nötig werden.

Und dann: War das überhaupt Gott, der neben (nicht in) dem brennenden Dornbusch zum ersten Mal erscheint, nachdem Mose in einem Steinschlag aus der Bewusstlosigkeit erwacht? Oder ist Gott nur Einbildung als Folge eines schweren Schädel-Hirn-Traumas? Eine Einbildung, die sich in einen fanatischen Wahn steigert!

Dieser Fanatismus, »Kindermörder«-Schreie im Hintergrund und der tote Sohn in den Armen des Pharaos erinnern an aktuelle politische Geschehnisse und religiöse Auseinandersetzungen, allerdings mit Mose und Gott in einer mehr als fragwürdigen Rolle. Guerilla-Taktiken gegen die Besatzungsmacht und die Frage nach dem Rückkehrrecht ins Land Kanaan lassen ebenfalls Elemente des Nahostkonflikts anklingen, allerdings in sehr verschobener oder gar pervertierter Form.

Der Exodus der Israeliten erscheint als Werk eines grausamen und gnadenlosen Gottes – nicht als Erlösung seines Volkes aus Liebe zu ihm. An diese Erlösungstat erinnert bis heute das jüdische Passafest. Und Christen sehen das Blut des Lammes an den Türpfosten – den Schutz vor der Strafe Gottes – als Hinweis auf das Blut Jesu Christi an den Balken des Kreuzes. Der Exodus zeigt auch die Größe Gottes, von der Mose in seinem Lobgesang verkündet: »HERR, wer ist dir gleich unter den Göttern? Wer ist dir gleich, der so mächtig, heilig, schrecklich, löblich und wundertätig ist?« (2. Mose 15,11)

Wundertätig? Schon der Berater des Pharaos hat für die ersten Plagen rationale Erklärungen parat. Die Teilung des Meeres war offensichtlich eine Auswirkung eines Meteoriteneinschlags mit anschließendem Tsunami. Also alles ganz ohne übernatürliches Eingreifen? Dies passt zumindest zu Moses anfänglicher atheistischer Weltanschauung, mit der er den Aberglauben der Ägypter ablehnt. Ist auch sein Berufungserlebnis letztlich nur auf seine Kopfverletzung zurückzuführen?

Die Bibel jedenfalls zeichnet ein fundamental anderes Bild: Gottes Wirken steht im Mittelpunkt, Mose ist sein Berufener, sein Botschafter. Warum ignorierte Ridley Scott dies und die sehr detailreiche Überlieferung des tatsächlichen Geschehens? Auch um historische Zusammenhänge (Hebräer sollen Pyramiden gebaut haben?) und chronologische Diskussionen (Ramses der Große als Moses Gegenspieler ist unwahrscheinlich!) schert sich der Regisseur wenig.

Es scheint, als müsse die Bibel einmal mehr als Ideenlieferant dienen, deren Geschichten auf ein modernes Weltbild zurechtgebogen werden: Das Weltbild des aufgeklärten Menschen, der das Patriarchentum und den Aberglauben überwunden zu haben glaubt und den angeblich so archaischen Gott des Alten Testaments nicht mehr nötig haben will. »Exodus« ist bewusst unbiblisch und atheistisch, auch ein wenig antizionistisch oder gar antisemitisch.

»Noah« war (wohl auch aufgrund der viel kürzeren biblischen Darstellung) fantasymäßig übertrieben und esoterisch angehaucht. »Exodus« finde ich aber aufgrund der subtilen und verzerrenden Art, wie ein grausamer Gott in ein naturalistisches Weltbild gepresst wird, für unsere heutige Gesellschaft noch viel schädlicher. »Exodus« schadet dem Zugang zu einem bibelgemäßen, einladenden Glauben an Gott.

Timo Roller

 

 

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