Wie ein Frosch die Evolutionstheorie ins Wanken bringt

Der wundersame Rheobatrachus

3.2.2016, von Timo Roller;
Update am Artikelende vom 27.7.2016
Update am Artikelende vom 18.8.2016

Die schrittweise Entwicklung hochkomplexer Organismen ist für Evolutionsbiologen schwer zu erklären. Bei einer australischen Froschart redet ein Experte von einem »einzigen, riesengroßen Quantensprung«, den die Evolution vollbracht haben muss. Der eigentliche Evolutionsgedanke müsste dann aber völlig umgekrempelt werden, um eine Erklärung zu finden. Oder war da doch ein Schöpfer?

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Ethos (Ausgabe 1/2016) erschienen. Dies ist eine etwas erweiterte und überarbeitete Fassung.

Frösche sind seltsame Wesen

Es gibt wirklich seltsame Frösche: Manche Arten können in den trockensten Wüsten bis zu zwei Jahre ohne Nahrung in unterirdischen Kokons ausharren, andere überleben dank natürlichem Frostschutzmittel bei weniger als 10 Grad minus. Die bekannten Pfeilgiftfrösche könnten mit der Giftmenge, die ihr Körper enthält, 20.000 Mäuse töten – auch für Menschen ist das Gift tödlich . Doch die erstaunlichste Froschart ist wohl Rheobatrachus – was die Forscher an ihm beobachteten, macht Rheobatrachus zu einer der eigenartigsten Lebensformen auf diesem Planeten – und zu einem großen Fragezeichen hinter die komplette Evolutionstheorie!

Dieser Artikel ist in der Zeitschrift Ethos (Ausgabe 1/2016) erschienen.

Es war eine unglaubliche Entdeckung, damals im Dezember 1974: Eine neu entdeckte Froschart, Rheobatrachus silus, wurde von Biologen in Australien untersucht. Was sie eines Morgens im Aquarium entdeckten, stellte sie vor ein Rätsel. Froschkinder waren plötzlich da, wo vorher nur ein erwachsenes Tier war. Wo kamen sie her?

Wie jeder weiß, laichen gewöhnliche Frösche. Die Eier entwickeln sich zu Kaulquappen, aus denen dann über einen Zeitraum von einigen Wochen kleine Frösche entstehen. Aber hier waren plötzlich fertige Jungfrösche aus heiterem Himmel, in den folgenden Stunden erscheinen weitere.

Frösche sind seltsame Wesen

Es war ein Jahr zuvor, 1973, dass David Liam in einem Flusssystem im Südosten von Queensland die neue Froschart entdeckte. Im Rahmen einer großangelegten Aktion war in einem Gebiet von etwa 1000 Quadratkilometern immer wieder dieser Frosch aufgefunden worden. In seinem 1983 erschienenen Buch »The Gastric Brooding Frog« dokumentiert der Biologe Michael J. Tyler, der als einer der weltweit größten Froschexperten gilt (»australischer Froschmann«), den Rheobatrachus ausführlich. Er bezeichnet den Frosch als »eine der bizarrsten Arten aus dem Reich der Tiere«. (Michael J. Tyler: »The Gastric Brooding Frog«, S. 1)

Michael J. Tyler mit seinem Buch.

Woher kommen die Kinder?

Schon im November 1973 war beobachtet worden, dass Rheobatrachus beim Transfer von einem Aquarium in ein anderes sechs Kaulquappen ausspuckte. Es wurde vermutet, dass die Jungen verschluckt worden waren und vielleicht in der Schallbase transportiert wurden. Bekannt für dieses Verhalten ist der südamerikanische Darwin-Nasenfrosch, bei dem das männliche Elterntier die befruchteten Eier aufnimmt. Im Kehlsack schlüpfen die Kaulquappen, werden durch ein Sekret ernährt und verlassen schließlich als kleine Frösche das Innere des Vatertiers durch sein Maul.

Beim Rheobatrachus war dies noch außergewöhnlicher. Tyler schreibt: »18 Tage nach dem Auswurf der Kaulquappen (37 Tage nach der Gefangennahme des Froschs) wurde ein Jungfrosch gefunden, der neben der Mutter schwamm. Zwei Tage später waren zwei weitere Jungtiere geboren. Nun wurde entschieden, das Elterntier zu opfern, um die übrigen Jungtiere in der Schallblase zu lokalisieren. Als aber nach der Mutter gegriffen wurde, wand sie plötzlich ihren Körper, hob ihren Kopf an und öffnete weit den Unterkiefer. In krampfhaften Bewegungen spuckte sie acht Jungtiere innerhalb von nicht mehr als zwei Sekunden aus. In den nächsten paar Minuten wurden fünf weitere Frösche ausgestoßen. Dann wurde die Mutter schließlich in Chloralhydratlösung getötet und seziert. Eine Schallblase wurde gar nicht gefunden, aber man konnte feststellen, dass es sich in der Tat um ein weibliches Tier handelte, gekennzeichnet durch einen sehr großen, dünnwandigen, erweiterten Magen.« (»Gastric Brooding Frog«, S. 36f)

Nun sei auch endlich der deutsche Namen des Frosches verraten: »Magenbrüterfrosch«. Nach der Befruchtung der Eier durch das Männchen verschluckte das weibliche Tier die Eier. Im quasi zu einer Gebärmutter umgewandelten Magen wuchsen die Kaulquappen heran und nach etwa sechs Wochen schlüpften 20 bis 25 Jungfrösche aus dem Maul der Mutter!

Der wundersame Magenbrüterfrosch. Auf dem Foto ist zu sehen, wie der junge Frosch durch das Maul der Mutter das Licht der Welt erblickt. Foto: Michael J. Tyler.

Der Magen als Gebärmutter!

Diese seltsame und einzigartige Art der Brutpflege bringt ein Problem mit sich: Die Mutter kann in der ganzen Zeit keine Nahrung aufnehmen. Durch das von den Larven produzierte Hormon Prostaglandin E2 wird die Produktion von Magensäure und damit die Verdauung des Mageninhalts im Muttertier unterdrückt. In umfangreichen Versuchen haben Tyler & Co diese Ursache untersucht und in Versuchsreihen nachgewiesen. Auch sonst hat er die Tiere sehr eingehend erforscht und die Ergebnisse in seinem Buch veröffentlicht. Dass dabei mehrere Tiere der Wissenschaft »geopfert« wurden, ist im Licht des späteren Aussterbens sehr bedauerlich. Von Vorteil ist allerdings, dass hier ein aussagekräftiges Argument gegen die Evolutionstheorie mit glaubwürdigen Fakten untermauert werden kann, denn Tyler ist völlig unverdächtig, an der Evolution zu zweifeln. Vielmehr ist er nach der Feststellung der Probleme sehr bemüht, die »Evolution des Magenbrütens« (»Gastric Brooding Frog«, S. 129ff)zu erklären.

Ein Quantensprung der Evolution?

In Kapitel 10 seines Buches stellt Tyler fest: »Im Falle des Rheobatrachus ist es undenkbar, eine langsame und schrittweise Veränderung seiner Fortpflanzungsbiologie in Betracht zu ziehen […] Jede [der denkbaren] Möglichkeiten ist offensichtlich absurd. Der Mechanismus ist entweder völlig wirksam oder komplett zum Scheitern verurteilt, daher muss die Evolution einen einzigen, riesengroßen Quantensprung vollbracht haben.«

Der Magen des Frosches funktioniert entweder als Verdauungsorgan oder als Gebärmutter; diese beiden Funktionen könnten kaum gegensätzlicher sein: Der Magen verdaut, die Gebärmutter ernährt. Ein allmählicher evolutiver Erwerb der Gebärmutter-Funktion ist unmöglich, denn der massive physiologische Umbau und die erforderliche Fähigkeit zum rechtzeitigen Umschalten zwischen Verdauen und Gebären müssten von einer Generation auf die nächste erfolgt sein.

Dieses Problem sieht auch Tyler und listet insgesamt 16 Änderungen auf, die von der Evolution gleichzeitig bewirkt worden sein müssten (sie sind am Ende des Artikels aufgelistet).

Tyler zeigt also selbst akribisch auf, wie viele komplexe Veränderungen des Rheobatrachus erforderlich sind, um einen nicht-magenbrütenden Frosch zu einem Magenbrüterfrosch werden zu lassen. Dabei stellt er die Evolution als Grundsatz in keinster Weise in Frage.

Im kritischen Evolutions-Lehrbuch von Wort und Wissen ist das alles so zusammengefasst: »Der Magen kann und darf nur ganz Magen oder ganz Uterus sein, will er seiner jeweiligen Funktion genügen.« Und als Kritik an den angeblichen Mechanismen für die Makroevolution: »Ein Selektionsvorteil ist nur im fertig ausgebildeten Zustand gegeben; ›unfertige‹ Zwischenstufen sind biologisch wertlos und werden durch stabilisierende Selektion ausgemerzt.«

All die Veränderungen müssen also tatsächlich von einer Generation auf die nächste entstanden sein, sonst wären die Jungtiere verdaut worden und der Frosch ein Kannibale!

Sprunghafte Erklärungen

Und tatsächlich versucht Tyler auch, auf diese Weise die Evolution des Rheobatrachus zu erklären, denn kannibalisches Verhalten ist bei Fröschen tatsächlich in Einzelfällen zu beobachten, wie er in seinem unterhaltsamen Sachbuch für Kinder beschreibt. Der Titel: »Es ist wahr! Frösche sind Kannibalen«.

»Im Fall von Rheobatrachus silus ist daher am wahrscheinlichsten, dass sich das Verhalten des Magenbrütens aus dem Auftreten von Kannibalismus entwickelt hat, als Eier hohe Level von PGE2 ausgeschieden haben. Zwar fressen Frösche in der Regel keine Eier oder Larven der eigenen oder anderer Arten, und es könnte argumentiert werden, dass Kannibalismus von R. silus dazu geführt hat, dass Stoffe in den Magen geraten, die dort normalerweise nicht in hoher Konzentration vorkommen und damit PGE2 die Produktion von Magensäure blockiert hat. Wenn die verschluckten Jungen schon zuvor eine Unabhängigkeit von externen Nahrungsquellen erworben hätten, dann wäre der Magen der Mutter einfach nur zu einem Brutsack geworden.«

Tyler selbst nennt dies im nächsten Satz »eine ziemlich stark vereinfachte Auslegung des Ursprung und der Mechanismen des Magenbrütens« und hofft auf weitere Beweise aus der Forschung.

Jedenfalls ist es – vielleicht sogar für ihn selbst – wenig überzeugend, einen einzigen Quantensprung mit ungefähr 16 komplexen Veränderungen durch das zufällige Zusammentreffen von (sonst selten vorkommendem) Kannibalismus und dem durch eine Laune der Natur zufällig gleichzeitigen Ausscheiden eines Magensäure-hemmenden Proteins zu erklären.

Ich bin überzeugt davon, dass der Magenbrüterfrosch nur als ein einzigartiges Geschöpf Gottes zu erklären ist und auf wunderbare Weise zeigt, was Gott gemeint hat, wenn es heißt »ein jedes nach seiner Art«. Da gibt es keinen Übergang zu einem nicht-magenbrütenden Frosch. Und doch ist es für Menschen, die nicht an einen Schöpfer glauben mögen, immer noch einfacher, sich eine hochspekulative Erklärung zurechtzulegen – doch dazu gehört meines Erachten mehr Glauben, als einen intelligenten Designer ins Spiel zu bringen, der sich uns in der Bibel als Schöpfer bezeugt hat und uns persönlich liebt. Bibeltreuen Christen wird oft vorgeworfen, sie würden Fakten zurechtbiegen, um sie mit der Bibel in Einklang zu bringen. Mit einiger Berechtigung kann man nun die Anhänger der Evolutionslehre fragen, wie weit dieser »riesengroße Quantensprung« entfernt ist von den Vorstellungen einer Veränderung in kleinen Schritten. Die Evolutionstheorie evolviert!

Inzwischen ist der Magenbrüterfrosch leider ausgestorben. Doch er soll wieder zum Leben erweckt werden: Im sogenannten »Lazarus-Projekt« ist es bereits gelungen, aus den Gewebeproben eines tiefgefrorenen Rheobatrachus Embryonen zu erzeugen, die aber leider wieder abgestorben sind. Die Forscher sind zuversichtlich, dass es eines Tages einen wiederauferstandenen Magenbrüterfrosch geben wird!

Die 16 Änderungen, die gleichzeitig (von einer Generation auf die andere) bewirkt worden sein müssten (»Gastric Brooding Frog«, S. 132):

1. Erwachsenes Tier:

  • a.) Morphologie: Möglichkeit zur Vergrößerung des Magens und zur Unterdrückung seiner Aktivität; gesteigerte Gefäßneubildung der Magenwände; Fähigkeit, durch das aufgerissene Maul die Jungen zu gebären; Fähigkeit zur maximalen Ausdehnung der Speiseröhre.
  • b.) Physiologie: Unterdrückung der Magensäure-Produktion; Unterdrückung der Produktion des Verdauungsenzyms Pepsin; Erschlaffung des Darms.
  • c.) Verhalten: Keine Nahrungsaufnahme während der ganzen Zeit, in der sich die Jungen im Magen befinden; passive Lebensweise

2. Larven/Jungtiere:

  • a.) Morphologie: Vergrößerte Eidurchmesser und verringerte Fruchtbarkeit.
  • b.) Physiologie: Erzeugung von Substanzen, die die Bildung von Magensäure sowie die Darmtätigkeit unterdrücken; möglicherweise Anpassung des Atemtrakts und der »Abfall«entsorgung.
  • c.) Verhalten: Verringerung der Beweglichkeit des Körpers und der Extremitäten; Bereitschaft der Larven, an der Rückeninnenfläche des Körpers der Mutter zu bleiben.

Literatur:

Michael J. Tyler: »It‘s true, Frogs are Cannibals«
Michael J. Tyler: »The Gastric Brooding Frog«
Reinhard Junker, Siegfried Scherer; »Evolution – Ein kritisches Lehrbuch«

Autor:

Timo Roller ist Medieningenieur und Buchautor (»Das Rätsel der Arche Noah«). Für die Studiengemeinschaft Wort und Wissen hat er die DVD-Reihe »Wissenschaft auf den Spuren Gottes« produziert. Im Beitrag »Gottes Spuren in der Schöpfung« hat der Magenbrüterfrosch neben anderen Wundern der Natur einen kurzen Auftritt.

 

 

Update vom 27.7.2016

Kürzlich hat Martin Neukamm von der AG Evolutionsbiologie als Widerlegung zu diesem Artikel einen Beitrag unter dem Thema »Faktenwissen: Evolution auf Abwegen? – Zur Entstehung des Brutverhaltens des Magenbrüterfroschs Rheobatrachus« veröffentlicht. Auch im »Forum Grenzfragen« wurde das Thema aufgegriffen. Ich möchte hier einige Anmerkungen dazu machen.

Zunächst ist Neukamms Vorgehensweise interessant. Er erklärt es zunächst als eine »wohlbekannte Strategie der religiös voreingenommenen Evolutionsgegner«, zahlreiche gleichzeitige Veränderungen zu »unterstellen«, die Evolution unwahrscheinlich machen und auf intelligente Planung hinweisen.

Nun zitiert er zunächst Michael J. Tyler (sicher kein »religiös voreingenommener Evolutionsgegner«) korrekt, der von einem »einzelnen, großen Quantenschritt« in der Evolution des Magenbrüterfroschs spricht – um dies anschließend als »reine Erfindung« der Kreationisten zu kritisieren und als »derart unplausibel« hinzustellen. Auch die »nicht weniger als 16 flankierenden Veränderungen« führt er zunächst korrekt auf Tyler zurück, um sie dann ebenfalls wenig später als angebliches Produkt meines Artikels Punkt für Punkt zu widerlegen. Seine Kritik richtet sich also de facto gegen Tylers Darstellung.

Neukamm behandelt die meisten der Veränderungen unabhängig voneinander und beachtet nicht das ausgeklügelte Zusammenspiel dieser Eigenschaften, das ja gerade Tyler in seinen Untersuchungen feststellt. Diese isolierte Betrachtung ist biologisch unsachgemäß und unrealistisch. Die Entstehung des Magenbrütens soll nach Neukamm durch einen einzigen Mutationsschritt erfolgt sein, nämlich die Unterdrückung der Magensäureproduktion durch das Hormon PGE2. Alle anderen Eigenschaften sollen zu diesem Zeitpunkt entweder schon soweit ausgebildet gewesen sein, dass das Magenbrüten nach dieser einen Mutation (von einer Generation auf die nächste!) funktionieren konnte, oder es soll sich in der weiteren Folge nur noch um Optimierungsschritte handeln.

Die Unterdrückung der Magensäureproduktion macht aber noch lange kein Magenbrüten, denn der Frosch muss gleichzeitig sein Ernährungsverhalten radikal ändern. Neukamm meint, der volle Magen würde dem Frosch das Bedürfnis nach Nahrungsaufnahme automatisch abstellen. Der erste Magenbrüterfrosch musste also nach dieser Theorie eines Tages zufällig ausnahmsweise Eier fressen und zwar gleich so viele Eier auf einmal, dass er keinen weiteren Appetit mehr hatte. Die verschluckten Eier müssten glücklicherweise genügend PGE2 ausgesondert haben, damit die Magensäureproduktion vollständig gestoppt wurde. Weiter muss PGE2 von Anfang an ziemlich exakt die passenden sonstigen Auswirkungen gehabt haben, was unrealistisch ist. Ebenso ist unrealistisch, dass bei der Umfunktionierung des Magens andere Prozesse keine Rolle spielten. PGE2 spielt eine wichtige Rolle dabei, kaum aber die einzige. Zugleich musste das Tier von einer Generation auf die nächste anders als zuvor sechs Wochen lang ohne Nahrungszufuhr auskommen, bis die Frösche ausreichend entwickelt waren und ausgespuckt werden konnten. Darauf musste ein solches Tier vorbereitet sein.

Neukamm muss sich mit weiteren unrealistischen Szenarien behelfen: »Selbst wenn das Muttertier zunächst noch einige Eier verdaut haben und nur ein Teil der Jungen im Magen zu adulten Fröschen heranreifen konnte, wäre noch immer ein deutlicher Selektionsvorteil gegenüber dem Ablaichen im Wasser gegeben.« – Wie soll ein Teil der Eier im selben Magen verdaut worden sein, andere Eier sich dagegen vollständig entwickelt haben? Außerdem würde ein teilweises Verdauen dann doch den Appetit erneut anregen und der Hormonspiegel von PGE2 würde fallen; Neukamms Szenario ist daher in sich widersprüchlich. Weiter stellt sich die Frage, wie die Frösche von einem gelegentlichen, eigentlich pathologischen Kannibalismus zur gewohnheitsmäßigen Aufnahme der Eier kamen.

Die Eier des Magenbrüterfroschs sind viel größer als diejenigen vergleichbar großer Frösche, die anders gebären. Statt Hunderte von Eiern mit einem Maximaldurchmesser von 1,5 mm produziert Rheobatrachus nur zwischen 5 und 40 Eier mit einem Durchmesser von 4,6 bis 5,1 mm (»Gastric Brooding Frog«, S. 85). Die Annahme, dass die Eier zu dem Zeitpunkt, zu dem erstmals die Magensäureproduktion durch Verschlucken vieler Eier gestoppt wurde, bereits groß genug waren, um im Magen die Entwicklung der Frösche zu ermöglichen oder dass sich die kleinen Frösche im Magen mit übriggebliebenen Speiseresten über die Runden schlagen konnten, ist spekulativ und unwahrscheinlich. Neukamm schreibt zwar, dass Kaulquappen mehrere Wochen lang ohne Zusatznahrung überleben können, bevor sie absterben, aber letztlich brauchen sie diese irgendwann doch. Ob die Frösche also eine Überlebenschance gehabt hätten, wenn ihre Entwicklung im Magen mit wenig eigenem »Startkapital« begonnen hätte, ist fraglich.

Die Entwicklung vom Ei zum fertigen Frosch ist ein Wunder, das sich bei verschiedenen Arten auf unterschiedlichste Weise vollzieht.

Neukamm vergleicht Rheobatrachus mehrmals mit irgendwelchen Fröschen (z. B. die Dehnbarkeit von Speiseröhre und Magen, Überlebensfähigkeit von Kaulquappen). Sachgemäß wäre ein Vergleich mit solchen Fröschen, die realistischerweise als Modelle für die nicht magenbrütenden Vorläufer von Rheobatrachus gelten können.

Tyler (»Gastric Brooding Frog«, S. 134) stellt fest, das sein eigenes Evolutionsszenario vereinfacht sei, und merkt auch an, dass seine Tabelle mit den 16 notwendigen Änderungen nicht erschöpfend ist (S. 130). Der Experte wird wissen, warum das so ist. Er betont, dass von Rheobatrachus viel über konvergente und divergente Evolution gelernt werden könne, da er sowohl einzigartige Eigenschaften besitzt als auch Eigenschaften, die er mit verwandten wie auch mit nichtverwandten Froscharten teilt (siehe S. 82). Einzigartig ist z.B., dass die Eierstöcke des Magenbrüterfroschs asymmetrisch sind. Es gibt noch viele andere ungewöhnliche anatomische Begebenheiten (Harnkanäle, Brutsäcke usw.), die darauf hinweisen, dass diese Froschart optimal für das Magenbrüten konzipiert ist. Die implizite Mutmaßung Neukamms, dass der gesamte Magenbrüter-Komplex auch in sehr rudimentärer Ausprägung bereits erfolgreiches Magenbrüten ermögliche, ist völlig unrealistisch.

Der »große evolutionäre Quantensprung« ist keine Erfindung von Kreationisten und auch nicht »derart unplausibel, dass sie kein Fachmann, der über Molekularbiologie und über die anatomischen Besonderheiten der Frösche Bescheid weiß, vertritt«. Schließlich ist Michael Tyler und nicht Martin Neukamm ein solcher Fachmann auf diesem Gebiet und es ist Tyler, der schreibt (und ich wiederhole und erweitere das Zitat aus Kapitel 10):

»Im Falle des Rheobatrachus ist es undenkbar, eine langsame und schrittweise Veränderung seiner Fortpflanzungsbiologie in Betracht zu ziehen, die zum vorliegenden Grad der verhaltensbezogenen, strukturellen und physiologischen Komplexität geführt hätte. Damit dies der Fall sein könnte, wäre die Existenz von weniger komplexen Übergangsformen erforderlich, die den absoluten Grad der Raffinesse noch nicht erreicht hätten. Zum Beispiel hätte es eine Reihe von Stufen der progressiven Reduzierung der Verdauung des Nachwuchses im Magen geben müssen oder aber vielleicht ein fortschreitendes Aufnehmen der Jungen aus der Mundhöhle über die Speiseröhre bis in den Magen. Jede dieser Möglichkeiten ist offensichtlich absurd. Der Mechanismus ist entweder völlig wirksam oder komplett zum Scheitern verurteilt, daher muss die Evolution einen einzigen, riesengroßen Quantensprung vollbracht haben.« (»Gastric Brooding Frog«, S. 129)

Daher bleibt die Aussage meines Artikels bestehen: Die mutmaßlichen »Zwischenstufen« gibt es nicht und sind selbst für Experten kaum denkbar. Es gibt nur perfekte Nicht-Magenbrüterfrösche oder perfekte (und inzwischen leider ausgestorbene) Magenbrüterfrösche.

Literatur:

Michael J. Tyler: »The Gastric Brooding Frog«
Martin Neukamm: Evolution auf Abwegen? Zur Entstehung des Brutverhaltens des Magenbrüterfroschs Rheobatrachus
Heinz-Hermann Peitz: Lieblingsfrosch der Evolutionskritiker

 

 

Update vom 18.8.2016

Martin Neukamm hat wiederum eine Entgegnung zu meinen Ausführungen formuliert und schlägt dabei einen schärferen Ton an (»grober Unfug«, »Killerphrasen«, »intellektuelle Todsünde«).

Zunächst ist kaum zu verstehen, wie Neukamm den Froschexperten Michael J. Tyler einordnet. Er sei ein »einzelner Forscher … der sich mit der Evolutionsfrage sonst nicht näher beschäftigt«. Und ich würde mich auf Tyler als Autorität beziehen, um meine Aussagen zu untermauern. Ich würde zu unrecht behaupten, Martin Neukamms Kritik richte sich de facto gegen Tylers Darstellung. Für mich klingen Neukamms »Überlegungen« sehr widersprüchlich und ich überlasse es dem interessierten Leser, das jeweils Gesagte in unseren Texten nachzuvollziehen. Mein eigener Gedankengang ist lediglich, dass der von Tyler postulierte Quantensprung nach meinem Verständnis groß genug ist, um das Theoriegebäude der Evolutionslehre zum Einsturz zu bringen.

Neukamm schreibt: »Die meisten Einwände, die Roller gegen eine Evolution der Magenbrüter ins Feld führt, sind unbegründet.« – Ist das wirklich so? Auch hiervon kann sich jeder selbst überzeugen. Ich bin mir nicht sicher, ob Neukamm das Buch von Michael Tyler überhaupt gelesen hat.

Um seine Argumente für Evolution aufrechtzuerhalten schreibt er: »Roller begeht indes den immer gleichen Fehlschluss der Evolutionskritik, das Endergebnis einer langen Serie von Optimierungsschritten mit einem ›Minimalzustand‹ eines funktionierenden Anfangszustandes gleichzusetzen.« – Aber doch schon in Tylers Darstellungen sind das Endergebnis und der Minimalzustand beim Magenbrüterfrosch identisch, sonst würde er nicht vom »riesigen Quantensprung« reden – in nur einer Generation! Das Problem an der Evolution des Magenbrüterfroschs ist nicht, dass eine Erklärungsmöglichkeit noch nicht gefunden ist und vielleicht irgendwann einmal gefunden werden kann – sondern, dass eine Entwicklung als Ergebnis einer Abfolge von Entwicklungsschritten offensichtlich gar nicht denkbar ist. Als Biologe hält Tyler natürlich trotzdem am Denkmodell der Evolutionslehre fest – was sollte er denn sonst tun?

Auch Neukamm hält an seinen fiktiven Evolutionsszenarien des Magenbrüterfroschs fest und zeigt damit, dass es sich bei der Evolution eigentlich gar nicht um eine naturwissenschaftliche Theorie handelt, wie dies gerne behauptet wird, sondern um eine quasireligiöse Weltanschauung. Sie ist nicht widerlegbar (siehe »Ist die Evolutionslehre falsifizierbar?«). An der Evolutionslehre wird auch dann festgehalten, wenn ein Beispiel aus der Natur ihre ursprünglichen Grundsätze deutlich in Frage stellt. »Das Evolutionsparadigma (Paradigma = Leitanschauung) fußt auf dem weltanschaulichen Naturalismus«, schreibt Reinhard Junker. Und die Evolutionstheorie ist extrem anpassungsfähig – sie evolviert!

In diesem Festhalten und gleichzeitigem aggressiven Ankämpfen gegen die vermeintlichen Wissenschaftsfeinde offenbart sich die fast schon missionarische Aufgabe Neukamms: »Etwas Unbekanntes und nach ROLLER ›Hochspekulatives‹ wird durch etwas noch Unbekannteres ›erklärt‹, dessen Existenz überhaupt nicht mehr empirisch begründet, geschweige denn überprüft werden kann. Damit zeigt sich, dass sein Erklärungsansatz genau das ist, was der Kreationismus immer bestritten hat: Er ist mit der rational-wissenschaftlichen Erklärungsstrategie unverträglich.« – Der atheistische Naturalismus präsentiert sich als Erklärungsmodell alternativlos, jede Vorstellung eines übernatürlichen Eingreifens wird von ihm ausdrücklich disqualifiziert. Was aus dem naturalistischen Raster herausfällt, wird als Todsünde bezeichnet – ein überraschend religiöser Ausdruck an dieser Stelle!

Für mich ist aber im Blick auf den Magenbrüterfrosch ein intelligenter Schöpfer eine wesentlich plausiblere Erklärung als diese der ziellose und zufällige Naturalismus bieten kann. Und – im Gegensatz zu Neukamm – ist für mich Gott nicht etwas »noch Unbekannteres«. Für den gläubigen Bibelleser hat sich Gott in seinem Wort offenbart und der Glaubende erfährt, dass die Schöpfung nichts Endgültiges war, sondern Gottes schöpferisches Wirken jeden Tag aufs Neue spürbar ist. Dies »empirisch zu begründen« oder zu »überprüfen« entzieht sich allerdings der Methodik des atheistischen (weltanschaulichen) Naturalismus. Hier beginnt das Wagnis des Glaubens – um dann zu entdecken, dass Denken und Glauben sich nicht widersprechen und die Bibel sehr viel mehr über die Schöpfung und unseren Schöpfer zu sagen hat, als viele meinen.

Es mag vermessen sein, einen überzeugten Atheisten durch den Magenbrüterfrosch von seinem Glauben an die Evolutionslehre abbringen zu wollen. Aber vielleicht kann jemand, der bereits an Gott glaubt, neues Vertrauen gewinnen in seinen kreativen und großartigen Schöpfer – und erkennen, dass Gottes schöpferisches Wort viel mehr zustande bringt als ungerichtete Zufallsprozesse in unermesslichen Zeiträumen.

Literatur:

Martin Neukamm: Evolution auf Abwegen? Zur Entstehung des Brutverhaltens des Magenbrüterfroschs Rheobatrachus (Nachtrag vom 16.8.2016)
Reinhard Junker: Ist die Evolutionslehre falsifizierbar?

 

 

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