Das Buch zum Arche-Nachbau – Standardwerk mit Defiziten

Buchrezension: »A Flood of Evidence« von Ken Ham und Bodie Hodge

4.6.2018

»Ark Encounter« ist der Nachbau einer Arche in Originalgröße (155 m lang). Er wurde 2016 eröffnet und hat seitdem etwa 2 Millionen Touristen nach Kentucky gelockt. Ken Ham ist Initiator von »Ark Encounter« und als Leiter der Organisation »Answers in Genesis« der bekannteste Kreationist Amerikas und sicherlich auch weltweit. Er hat nun das Buch »A Flood of Evidence« (»Eine Flut an Beweismaterial«) veröffentlicht, das Buch zur Arche sozusagen.

Seine Sicht ist klar: Die Bibel ist Gottes inspiriertes Wort und daher bis in die Details hinein wörtlich zu verstehen. Die Welt wurde in sechs Tagen erschaffen und die Flut war global und vernichtend. Nur die acht Insassen der Arche überlebten. So steht es in der Bibel und den Glauben daran verteidigt er.

Das sei auch dringend nötig, führt er im ersten Kapitel aus. Die säkularen Einflüsse der Schulen, Universitäten und Medien hätten dazu geführt, dass nur noch die Hälfte der 20- bis 30-Jährigen (in den USA) die Frage »Glaubst Du, dass die Arche tatsächlich existiert hat – und nicht nur eine Legende ist?« mit Ja beantworteten (S. 11). Bei den Menschen über 30 Jahren sind es je nach Altersstufe zwischen 74 und 86 Prozent.

Auch bei Christen sieht er einen starken Rückgang des Glaubens an die Historizität der Bibel. Er führt dies auf den atheistischen Einfluss im Bildungssystem zurück: »83 % [der christlichen Kinder] sagten, dass ihre Wissenschaftslehrer ihnen beibrachten, die Erde sei Millionen oder Milliarden Jahre alt« (S. 12). Die gesammelten Argumente, die für eine weltweite Flut und die Existenz der Arche sprechen, möchte er diesen Entwicklungen entgegenhalten.

Insgesamt teile ich dieses Anliegen und freue mich vor allem über den zweiten Teil des Buches. Leider hat das Buch aber auch schwerwiegende Defizite, die ich ebenfalls ansprechen möchte.

Die Arche und wo sie gelandet ist

Das Buch behandelt (ab S. 193) viele Aspekte rund um die Arche, von ihrer Größe und Form über die Anzahl der Tiere und der Bauzeit sowie des in der Bibel so genannten »Gopher«-Holzes (der hebräische Begriff, der mit Tannenholz übersetzt wird, aber wohl eher als bearbeitetes Holz zu verstehen ist).

Aus meiner Sicht besonders erfreulich ist die Diskussion um den Landeplatz der Arche Noah. Budie Hodge erzählt: »Hätte mich vor ein paar Jahren jemand gefragt, auf welchem Berg Noahs Arche gelandet ist, wäre mein Antwort naiv gewesen: Auf dem Berg Ararat natürlich, denn so steht es in der Bibel« (S. 265). Aufgrund der von Bill Crouse und Gordon Franz initiierten Forschung um den Berg Cudi, an der ich inzwischen selbst beteiligt bin, erwähnt das Buch nun mit dem Berg Ararat und dem Berg Cudi »die zwei populärsten Orte« (S. 267).

Nachdem die als hitzig bezeichnete Debatte um die beiden Berge kurz beschrieben wird (es gab in einer Ausgabe des Magazins »Bible and Spade« einst Pro- und Kontra-Artikel zum Cudi Dagh), kommt Hodge zum Ergebnis: »Wenn wir die Belege aus biblischer Perspektive betrachten, ist der Berg Cudi die schlüssigere Alternative, nicht der heute so genannte Vulkan Ararat, der auf fossil-haltigen Gesteinsschichten sitzt, die während der Flut abgelagert wurden.«

Auch Manfred Stephan, mittlerweile pensionierter Mitarbeiter der Studiengemeinschaft Wort und Wissen sprach in seinem Buch »Sintflut und Geologie« geologische Probleme mit dem vulkanischen Ararat an, der noch in jüngerer Vergangenheit aktiv war und daher nach bibel-geologischer Sicht kaum als Landeplatz in Frage kommen kann. In der Bibel ist in Genesis 8,4 vom »Gebirge Ararat« oder von den »Bergen von Ararat« die Rede, nicht von einem einzelnen Berg.

In der Diskussion um Form und Aufbau der Arche bleibt leider die Forschung von Irving Finkel unerwähnt, der aufgrund einer neu entdeckten Keilschrifttafel eine »runde« Arche ins Gespräch gebracht hat. Im Internet gibt es dazu ein kurzes Statement, das sich aber recht lapidar auf die Autorität der Bibel beruft. Eine ausführliche Diskussion, wie es zu den widersprüchlichen Arche-Formen kommen konnte, wäre hilfreich.

Dogmatik

Die Autoren von »A Flood of Evidence« (Co-Autor ist Ken Hams Schwiegersohn Budie Hodge) gehen im ersten Teil des Buches auf die maßgeblichen Bibeltexte und einige theologische Fragestellungen ein. Viele Argumentationen sind aufschlussreich und plausibel – aber doch auch oft sehr dogmatisch. Für fest im Glauben stehende Leser mag das akzeptabel sein, für suchende Menschen, die erst noch von der Glaubwürdigkeit der Bibel überzeugt werden sollen, ist die Voraussetzung der »Autorität der Bibel als absoluter und endgültiger Maßstab bei allen Themen« (S. 5) wenig hilfreich, denn zu schnell werden aus dieser Sicht sachbezogene Zweifel als Unglauben abgetan. Wenigstens bekennt sich das Buch bereits auf der ersten Seite unmissverständlich zu dieser verengenden Vorgehensweise.

Als Kurzzeit-Kreationisten verteidigen Ham und Hodge die biblische Zeitrechnung, die ein Erdalter von etwa 6000 Jahren nahelegt. Nach der Darlegung, wie diese Chronologie von Adam bis in die Gegenwart zustande kommt, startet ein Angriff auf die Jahrmillionen, die laut heutiger Lehrmeinung seit Entstehung der Erde und des Lebens hinter uns liegen. Und Angriff ist durchaus wörtlich zu verstehen: Kapitel 8 ist überschrieben mit »Kampf um das Alter der Erde: Millionen von Jahren oder eine weltweite Flut« (S. 57). In mehreren Kapiteln folgen geologische Erklärungen gegen die normalerweise anberaumten Jahrmillionen: Themen wie die Entstehung von Kohle, Diamanten, versteinertem Holz und Fossilien, aber auch die radiometrische Datierung kommen zur Sprache.

Dann folgt nach einer Übersicht der zeitlichen Abfolge des Sintflutjahrs der größte Problempunkt des Buchs: »Wo ist das Flut-Gestein?« (Überschrift von Kapitel 27 ab S. 181).

Wieviel Erdgeschichte passt in ein Sintflutjahr?

Dort heißt es: »Mit sehr wenigen Ausnahmen stimmen Kreationisten darin überein, dass Genesis 6 bis 8 die überwiegende Mehrzahl der Gesteinsschichten der Erde erklären, die Fossilien enthalten« (S. 184). Die Grenze zwischen der Zeit vor der Flut und der Flut liege daher geologisch am Beginn des Kambrium. Die Grenze zwischen der Flut und der nachsintflutlichen Zeit wird ausführlicher debattiert und liege irgendwo zwischen dem Beginn und dem Ende des Tertiärs.

Nun ist es so, dass zu den angesprochenen »wenigen Ausnahmen« die geologischen Fachleute der Studiengemeinschaft Wort und Wissen gehören und dass Manfred Stephan in seinem bereits erwähnten Buch sehr ausführlich die Probleme dargelegt hat, die man bekommt, wenn man alle Gesteinsschichten des Erdaltertums und des Erdmittelalters in ein einziges Sintflutjahr zwängen möchte. Viele Vorgänge, die sich in den Schichten nachweisen lassen, brauchen eindeutig mehr Zeit – zwar keine Jahrmillionen, aber doch immerhin in ihrer Summe Jahrzehnte bis Jahrhunderte.

Hier liegt eine deutliche Schwäche des »amerikanischen Sintflutmodells«, das eben nicht das einzig denkbare Modell ist, das der Bibeltext rechtfertigen würde. Das biblisch-urgeschichliche Sintflutmodell, das größere Katastrophen auch in die Zeit zwischen Sündenfall und Sintflut verlegt bzw. in die Zeit nach der Flut, hat vielversprechende Ansätze (siehe das erwähnte Buch »Sintflut und Geologie«), die leider im amerikanischen Kreationismus immer noch kaum berücksichtigt werden. In englischer Sprache hat Leonard Brand dies bereits 2007 in seinem Artikel »Wholistic Geology: Geology before, during and after the Biblical Flood« dargelegt.

Weitere Informationen zur Problematik gibt es im Kapitel »Die Quellen der Tiefe« meines Buches »Das Rätsel der Arche Noah«, das auch online verfügbar ist.

Fazit

Die einflussreichsten Kreationisten haben ein leicht lesbares (nur auf Englisch) und doch umfassendes Buch vorgelegt mit allen wichtigen Fragestellungen zur Sintflut und zur Arche. Mit neuen Erkenntnissen bzgl. des Landeplatzes der Arche, schwerwiegenden Defiziten in der Erklärung der Flutschichten im Sintflutjahr sowie für mein Gefühl viel zu dogmatischen Aussagen, wo die Bibel keineswegs ein bestimmtes Verständnis fordert. So hinterlässt das Buch einen sehr zwiespältigen Eindruck und ich kann es nur sehr eingeschränkt empfehlen.

Timo Roller

 

 

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