Jerusalem: Expedition mit Tunnelblick

Im Hiskiatunnel mit Ronny Reich und Ulrich Romberg

von Timo Roller, #bibelabenteurer

22.2.2019

Es war eine meiner spannendsten Reisen. Im März 2018 haben wir uns zu dritt aufgemacht, um das antike Jerusalem zu erforschen.

Der Tunnel ist still, dunkel, 500 Meter lang und beklemmend eng. Allerdings ist es mit der Stille vorbei, wenn eine Schulklasse hineingeht, dann kreischen die Kinder. Oder eine asiatische Gruppe von Christen, die laut singen – vor Freude oder zur Beruhigung? Die Enge des 2700 Jahre alten Hiskiatunnels lässt einen nicht kalt, wenn man durch das Wasser watet, das teilweise bis über die Knie geht. Und doch war Nüchternheit gefragt, als der 80-jährige Ulrich Romberg aus Wildberg nun zum ersten Mal seinen Fuß hineingesetzt hatte, um das unterirdische Bauwerk aufmerksam zu studieren. Der Stollen leitet das Wasser der Gihon-Quelle durch das Felsgestein Jerusalems hindurch und Romberg kennt den Hiskiatunnel in- und auswendig – aus der Literatur.

Und nun war er mit meinem Schwiegervater Albert Röhm und mir für eine Woche in Jerusalem, um die von ihm seit über 30 Jahren erforschte »Stadt Davids« aus nächster Nähe zu inspizieren und auch ein zweites und drittes Mal durch den Tunnel zu waten. Genau hier, südlich der Altstadt, waren in der Zeit des Alten Testaments die Häuser und Paläste der Hauptstadt Israels.

Eine Forschungsexpedition aus dem Nordschwarzwald zu den antiken unterirdischen Wasserleitungssystemen von Jerusalem – das klingt schon etwas merkwürdig. Doch in all den Jahren intensiver Forschung sind an Ulrich Rombergs Schreibtisch faszinierende Theorien entstanden über die Gihon-Quelle, den Hiskiatunnel, den Siloah-Teich und die weiteren Gänge und Schächte der komplexen Wasserversorgung unter der Jerusalemer Davidstadt – und nun ergab sich die Gelegenheit, sich vor Ort mit einem der bedeutendsten Archäologen Israels zu treffen.

Die Forscher am Ausgang des Hiskiatunnels: Timo Roller, Albert Röhm, Ronny Reich und Ulrich Romberg (v.l.n.r.).

Ulrich Romberg ist nach einer Technikerausbildung zum Diakon umgeschwenkt und hat bis zu seinem Ruhestand viele Jahre als Religionslehrer gearbeitet. Er war einst auch mein Religionslehrer. Wir trafen uns in den letzten Jahren immer wieder und als er von meinem Interesse für die Arche Noah und die biblische Archäologie hörte, tauschten wir uns über unsere Forschungsprojekte aus. Er erzählte mir, wie er das unterirdische Jerusalem ausgiebig untersuchte: In erster Linie vom heimischen Arbeitszimmer aus, in dem er unzählige Grabungsberichte und archäologische Literatur studierte, aber auch die Vermessungstechnik der vorchristlichen Zeit zu rekonstruieren versuchte. Ein Besuch in Jerusalem hat in den 1980er Jahren sein Interesse geweckt, als er die Meinung hörte, der berühmte Hiskia-Tunnel mit seinem merkwürdig kurvigen Verlauf sei das glückliche Ergebnis eines »gering ausgebildeten Ingenieurwissens« gewesen und die Tunnelgräber seien mehr zufällig oder durch ein »Wunder Gottes« im Inneren des Felsens aufeinandergestoßen.

Eine alternative Theorie

Romberg ist anderer Meinung und als ich ihn im Februar 2015 zu einem Vortrag nach Sulz am Eck eingeladen hatte, rief er den Zuhörern zu: »Ich hoffe, Ihnen heute eine andere Einsicht vermitteln zu können« – und präsentierte seine Theorien zum ersten Mal der Öffentlichkeit. Er erklärte einleuchtend, warum der Hiskiatunnel zu den bedeutendsten Ingenieurwerken der Antike gezählt werden muss.

Schon von Anfang an spielte die Wasserversorgung für das antike Jerusalem eine lebenswichtige Rolle, erläuterte Ulrich Romberg. In den trockenen judäischen Bergen war wohl schon zu Abrahams Zeiten, als Melchisedek König von Salem war, die sogenannte Gihon-Quelle von unschätzbarem Wert für die Bewohner der Stadt. Es sei gut denkbar, dass der unmittelbare Quellbereich schon in kanaanäischer Zeit ein bedeutendes Heiligtum beherbergte.

Später spielte diese Quelle auch für die berühmten biblischen Könige David und Salomo eine wichtige Rolle zur Versorgung der neuen Hauptstadt des israelitischen Königreichs. Und schließlich entstanden die eindrucksvollen Bauprojekte, die dem König Hiskia zugeschrieben werden. Zu seiner Zeit – um das Jahr 700 v. Chr. – war die Hauptstadt des inzwischen abgespaltenen Königreichs Juda durch das Heer des assyrischen Königs Sanherib bedroht. Wenige Jahre zuvor war das israelitische Nordreich bereits den Assyrern in die Hände gefallen und auch mehrere Städte Judas waren bereits verloren oder wurden – wie Lachisch – belagert.

Schon frühzeitig begannen die Regierenden in Jerusalem in Vorahnung eines weiteren Feldzugs der Assyrer mit den Maßnahmen gegen eine Belagerung der Stadt. Wahrscheinlich ein ägyptischer Ingenieur wurde mit dem Tunnelbau beauftragt: Hiskia war mit Ägypten gegen Assyrien verbündet und das Bauwesen war dort hoch entwickelt. Die Nutzung der ägyptischen Königselle war weit verbreitet und nach Rombergs Theorie lag sie auch den Vermessungen im Tunnel zugrunde. Wichtige topografische Punkte wurden genauestens vermessen und dann maßstabsgerecht auf einen Plan übertragen. Nach diesem wurde dann das Aushauen unter Tage geplant und kontrolliert. Die dazu notwendigen Messgeräte hat Ulrich Romberg rekonstruiert.

Ein Blick über die Davidstadt (rechts) und das Dorf Silwan (links), dazwischen das Kidrontal. Links unten im Bild der moderne Gebäudekomplex über der Gihon-Quelle, dort beginnt unterirdisch der Hiskiatunnel.

Der Tunnel wurde von beiden Seiten ausgehauen, die Gänge haben einen geringen Querschnitt, so dass es – angesichts einer drohenden Belagerung – schnell vorangehen konnte. Die Pläne der Ingenieure waren zudem bereit für den äußersten Notfall, nämlich das vorzeitige Anrücken der feindlichen Armee. In diesem Fall hätte die ausgehauene Schleife nach Westen an der Nordseite des Tunnels einen senkrechten Schöpfschacht von der Stadtburg aus in den Tunnel hinab zur Wasserentnahme ermöglicht. Man hätte also den Tunnel fluten müssen und eine Weiterarbeit von Norden her wäre nicht länger möglich gewesen. Um den kompletten Stollen aber vom Süden aus weitergraben zu können, hätten die Arbeiter zusätzliche Verbindungen nach außen für die Luftzufuhr benötigt, daher wurde ein Bogen in Richtung des bereits existierenden »Kanals 2« in Hangnähe ausgehauen, dort hätte man mit Leichtigkeit einen oder zwei Luftschächte anlegen können.

Zwar weist die niedrigere Höhe des Tunnels im mittleren Bereich darauf hin, dass tatsächlich das Tempo während der Arbeiten erhöht wurde – allerdings konnte man offensichtlich bis zum Zusammenschluss durchgehend von beiden Seiten weitergraben, die vorgesehenen Schächte mussten nicht realisiert werden. Dies passt sehr gut zusammen mit der anrückenden assyrischen Armee, die dann aber nach Lachisch zog (siehe 2. Chronik 32,9) und es gegenüber Jerusalem zunächst bei Drohgebärden beließ.

Auch für verschiedene »tote« Stollenansätze, die von anderen Forschern als Beweis für eine schlechte Planung interpretiert wurden, hat Romberg eine alternative Erklärung: Nahe an der Stelle des Aufeinandertreffens beider Stollenteile hätten sich die Hauer von Geräuschen ihrer Kollegen auf der anderen Seite ablenken lassen und in deren Richtung gegraben. Da die Planer aber zur Sicherheit einen »Fangstollen« geplant hätten, der verhindern würde, dass sich die Tunnelröhren verfehlen, hätten sie die Arbeiten entsprechend korrigieren lassen. Unregelmäßigkeiten im Fels könnten nämlich das Graben nach Gehör in die falsche Richtung geführt haben, so Romberg.

Als Beweis für seine Theorie der präzisen Planung führte Romberg unter anderem die Genauigkeit der Niveaumessungen an, die eine optimale Nutzung des Tunnels gewährleistet hätten und die an der Stelle am Zusammenschluss nur wenige Zentimeter Unterschied aufweisen. Trotz eines großen Gottvertrauens, für das Hiskia – dessen Berater der Prophet Jesaja war – in der Bibel gerühmt wird, tat er also trotzdem alles Menschenmögliche, um sein Volk vor der heranrückenden Gefahr zu schützen. Das entschlossene und tatkräftige Handeln Hiskias war verbunden mit dem Vertrauen auf Gott die Grundlage für die Errettung aus großer Gefahr. Denn schließlich musste Sanherib nach Gottes Eingreifen wieder abrücken und konnte in seinen Annalen nicht von der Eroberung Jerusalems berichten, sondern nur davon, dass er Hiskia »wie einen Vogel im Käfig in Jerusalem« eingeschlossen hatte. Angesichts der sonst so überschwänglichen und grausamen Beschreibungen assyrischer Siege war dies die beschönigende Umschreibung eines bitteren Misserfolgs.

Der Ausgräber der David-Stadt

Nun standen wir also mit nassen Füßen hier drin, in diesem Wunderwerk der Ingieurskunst – über zweieinhalb Jahrtausende nach der Errichtung. Wir hatten die Möglichkeit, Rombergs Forschungsansätze an Ort und Stelle zu überprüfen. Und wir hatten ein Treffen arrangiert mit dem bekannten Archäologen Ronny Reich!

Etwa 20 Jahre lang hat Professor Ronny Reich bis zu seinem Ruhestand die Ausgrabungen in der Davidstadt geleitet, wo Jerusalem seinen Ursprung hat und archäologische Spuren bis in die Zeit Abrahams zurückreichen: Eine Zeit vor 4000 Jahren – oder archäologisch ausgedrückt: die Mittelbronzezeit. Als Ulrich Romberg zum ersten Mal hier war, ist der Hiskiatunnel für die Öffentlichkeit noch gar nicht zugänglich gewesen.

Schön, dass nun alle Vorbereitungen geklappt hatten und diese Begegnung der ungleichen Forscher mit dem selben Spezialgebiet zustande kam: Dank der Fürsprache meines Freundes und Archäologen Peter van der Veen hatte ich 2017 mit Ronny Reich Kontakt aufgenommen und mich im März 2017 mit ihm in Jerusalem getroffen, um ihm Ulrich Rombergs Theorien vorzustellen.

Natürlich ist allgemein bekannt und akzeptiert, dass der Hiskiatunnel von beiden Seiten gegraben wurde und sich die Bergleute in der Mitte trafen, »Hacke gegen Hacke«, wie es auf der berühmten Siloah-Inschrift festgehalten ist. Doch warum der Tunnel nicht in gerader Linie durch den Fels führt, sondern in weiten Bögen viele Meter Umwege macht, ist bis heute umstritten.

»Biblisches Rätsel gelöst: Tunnel in Jerusalem ist ein Produkt der Natur«[1] – unter dieser Überschrift präsentierte »The New York Times« 1994 die Theorie des Geologen Dan Gill, der eine angeblich »einfache, konsistente und schlüssige Lösung«[2] für die Frage präsentierte. Der Tunnel sei »nichts anderes, als eine Erweiterung durch Ausgraben langer, gewundener natürlicher Karstspalten zwischen Quelle und Siloah-Teich, die seit undenklichen Zeiten im Felsen waren«[3] – so beschreibt Ronny Reich dessen Hypothese. »Die Beweise sind sehr, sehr klar«[4], behauptete Gill.

Auch der Tunnelbau-Spezialist Klaus Grewe griff dies auf: »Es ist durchaus möglich, daß es natürlich entstandene Felsspalten gab, die von beiden Seiten des Berges aus weit nach innen führten. Das Vorhandensein dieser Spalten mag sogar das Tunnelprojekt überhaupt erst angeregt haben. Die weiten Bögen, die abseits einer direkten Verbindung aufgefahren wurden, sind anders kaum erklärlich.« [5] Er gesteht aber ein, »daß ab einer bestimmten Stelle von beiden Seiten aus nur noch planmäßig vorgegangen wurde«.[6]

Von Grewe übernahm auch Ronny Reich den Gedanken, »dass es sich tatsächlich um ein geplantes System handelte, bei dem viele Veränderungen umgesetzt wurden, einige nach Plan und andere als Ergebnis von Fehlerkorrekturen, die sich während des Aushauens ergeben hatten.«[7] Allerdings habe es keinen skizzierten Plan auf dem Reißbrett gegeben, so Reich, sondern eher allgemeine »Leitprinzipien«[8].

Nach wie vor geht Reich allerdings davon aus, dass ein großer Teil des Tunnels »umständlich« und nach »Versuch und Irrtum«[9] gebaut worden sei. Eine Beobachtung in den unterirdischen Gängen führte ihn schließlich zur Vermutung, dass über vertikale Risse im Fels, die bis zur Oberfläche reichen, möglicherweise eine Art Navigation im Fels stattgefunden habe. Von der Oberfläche habe man vielleicht (gefärbtes) Wasser in die Klüfte geschüttet, die bis zu den Arbeitern hinab geflossen sein müssten. »Auf diese Weise konnten Menschen an der Oberfläche die Arbeiter in die richtige Richtung leiten und sie anweisen, von Riss zu Riss zu graben. Am hereinfließenden Wasser konnten sie sich versichern, dass sie tatsächlich zum nächsten Riss gelangt waren.«[10] Eine Bestätigung für diese Theorie sieht Reich in dem hebräischen Wort »zdh« (»Spalt«) der berühmten Tunnel-Inschrift, die von Israel Finkelstein wie folgt wiedergegeben wird:

»… das Durchbohren. Dies ist die Geschichte des Durchbohrens. Als noch […] Hacke(n) […] jeder zu seinem Gefährt hin, und als noch drei Ellen zu durchbohren waren, […] die Stimme eines Mannes, der dem anderen zurief, denn da war ein Spalt an der rechten Seite […] Und am Tag des Durchbruchs begegneten sich die Arbeiter, Mann gegen Mann, Hacke gegen Hacke, und das Wasser floss von der Quelle zum Teich, 1200 Ellen weit und 100 Ellen war die Dicke des Gesteins über den Köpfen der Arbeiter.«[11]

Die Bedeutung des mit »Spalt« übersetzten Begriffs ist – auch im Zusammenhang des Textes – nicht ganz klar und Ronny Reich bezieht ihn auf die vertikalen Klüfte im Fels, von denen er uns einige wenige im Tunnel gezeigt hat.

Ronny Reich und Eli Shukron bezweifeln übrigens auch die Entstehung während der Zeit Hiskias und setzen den Bau des von ihnen als »Siloah-Tunnel« bezeichneten Bauwerks um mehrere Jahrzehnte früher an[12].

Mit Professor Ronny Reich (rechts) inspiziert Ulrich Romberg zahlreiche Details im Innern des Tunnels.

Erklärungen, Messungen, Entdeckungen

Trotz dieser unterschiedlichen Interpretationen zeigte sich Ronny Reich nach einem monatelangen Gedankenaustausch per E-Mail sehr aufgeschlossen und bereit, sich mit uns deutschen Forschern vor Ort zu treffen und den Quellbereich, die Tunnel und Kanäle sowie den von ihm ausgegrabenen Siloah-Teich am südlichen Ende der Davidstadt gemeinsam anzusehen. Frühmorgens, vor der Öffnung des Tunnels für Touristen, konnten wir als vierköpfiges Team nun, am 8. März 2018, in die antike Wasserleitung hinein und uns ausreichend Zeit lassen für Beobachtungen, Messungen und fotografische Dokumention.

Drei Stunden Erklärungen, Diskussionen und eine Führung durch das Areal durch den besten Experten, den man sich vorstellen kann: Das alles brachte uns bereits viele neue Erkenntnisse – eine zusätzliche Überprüfung und Nachmessung verschiedener Maße und auch des Gefälles im Tunnel gab es beim dritten Besuch der Davidstadt am Tag vor der Abreise. Natürlich nahmen wir auch die oberirdische Struktur des Geländes mit all den während der letzten 120 Jahren getätigten Ausgrabungen genau unter die Lupe.

Als Ergebnis gab es manche Überraschungen, viele Stellen sehen in Wirklichkeit recht anders aus als in teilweise alter wissenschaftlicher Literatur. Die Arbeit vieler Archäologen und das Zugänglichmachen für Touristen hat Spuren hinterlassen und so addiert sich zur hochkomplexen Baugeschichte eine nicht minder unübersichtliche Forschungsgeschichte.

Das ist ganz typisch für Jerusalem, ob in der Grabeskirche oder am Teich Betesda: man versucht, die Gebäude und Ruinen zu verstehen und steht doch staunend vor einem fast undurchdringlich komplexen Zeugnis der Geschichte.

Besonders spannend waren auch – bisher undokumentierte – Entdeckungen von Flora und Fauna im Innern des Tunnel. Albert Röhm – als mein Schwiegervater und darüber hinaus Posaunenchor-Kollege von Ulrich Romberg der dritte Mann unserer Expedition – bemerkte plötzlich Wurzel-Enden an der Tunneldecke und sogar einen Tausendfüßler an der Felswand. Starke Hinweise dafür, dass an diesen Stellen die Oberfläche nicht weit sein konnte. Auch eine vor nicht allzulanger Zeit von außen vorgenommene Kernbohrung hat versehentlich den Tunnel getroffen und 12 cm dicke Löcher hinterlassen.

Albert Röhm vermisst ein Bohrloch, das in jüngster Zeit den Tunnel versehentlich getroffen hat.

Trotz mancher neuer Fragen bestätigten die Beobachten und Messungen Ulrich Romberg in seiner Überzeugung, dass präzise Planung hinter dem Tunnelbau steht. Und dass diese Planung mehrere Konzeptionen beinhaltete, die sich sehr exakt mit der Situation zur Zeit des judäischen Hiskias synchronisieren lassen. Wie bereits erwähnt drohte damals eine Belagerung durch die Assyrer, von der man nicht genau wusste, wann sie beginnen würde. Zwischendurch hatte man den Tunnelbau beschleunigt, um rechtzeitig fertig zu werden, darauf deuten starkte Unterschiede in der Höhe des Tunnels hin. Tief im Inneren ist er nur 1,40 Meter hoch, was das Vorankommen heutzutage beschwerlich macht.

Auch wenn manche Details von Rombergs Theorien nun eine Überarbeitung benötigen – so ist zum Beispiel die von Louis-Hugues Vincent vor 100 Jahren vorgenommene Messung des Tunnelgefälles falsch und muss durch neue Daten von Ronny Reich ersetzt werden – ist er doch froh, die Grundzüge seiner Überlegungen bestätigt zu sehen. Die durch Wurzeln und Bohrloch bewiesenen Beinahe-Berührungen mit der Außenwelt untermauern sogar eindrucksvoll, dass die Tunnelbauer den Verlauf unter Tage genau um Blick hatten: Man blieb immer im Fels verborgen und hat nicht durch einen versehentlichen Durchbruch nach außen das Wassersystem für Belagerer angreifbar gemacht.

Ein neuer Blick im Tunnel

Und so war die kleine Expedition von uns drei Männern aus dem Nordschwarzwald ins Heilige Land überaus erfolgreich. Mit den gesammelten Daten, Fotos und Videoaufnahmen sowie dem Kontakt zu Ronny Reich kann weiter geforscht und diskutiert werden – und vielleicht wird Ulrich Rombergs Theorie von der präzisen Planung eines Tages Einzug finden in die wissenschaftliche Diskussion und so ein Stück Geschichte umschreiben: Bislang gilt – so ist es auch in der Wikipedia zu lesen [13] – der Tunnel des Eupalinos auf der griechischen Insel Samos als das erste unterirdische Bauwerk, das auf Grundlage präziser Vermessung zwei Grabungsteams in der Mitte zusammengeführt hat. »Doch jener Tunnel wurde von beiden Seiten schnurgerade in den Fels getrieben«, erklärt Ulrich Romberg. »Der Hiskiatunnel ist jedoch mindestens 100 Jahre älter und führt auf einer ausgeklügelten geschwungenen Bahn durch den Hügel der Davidstadt – Konstruktion und Ausführung unter der Herrschaft der biblischen Könige waren wahrhaft meisterhaft!«

Der Bibel ist wohl eindeutig zuzustimmen, wenn sie neben dem Wirken Gottes auch König Hiskia lobt und »seine tapferen Taten und wie er den Teich und die Wasserleitung gebaut hat, durch die er Wasser in die Stadt geleitet hat« (2. Könige 20,20).

Albert Röhm (links) und Ulrich Romberg diskutieren mit Blick auf das Kidrontal eine offene Frage: Auf welche Weise hat man vor 2700 Jahren den Tunnel vermessen?

Fußnoten:

[1] The New York Times, 9. August 1994

[2] ebd.

[3] Ronny Reich: »Excavation the City of David – Where Jerusalem’s History began«, Jerusalem 2011, S. 185

[4] siehe wiederum im Artikel in The New York Times

[5] Klaus Grewe: »Licht am Ende des Tunnels – Planung und Trassierung im antiken Tunnelbau«, Mainz 1998, S. 51

[6] ebd.

[7] Ronny Reich: »Excavation the City of David«, S. 190

[8] ebd., S. 191

[9] ebd., S. 20

[10] ebd., S. 202

[11] nach Israel Finkelstein: »David und Salomo«, S. 122

[12] Ronny Reich and Eli Shukron (2011). »The date of the Siloam Tunnel reconsidered«

[12] Siehe Wikipedia: »Tunnel des Eupalinos«, inbesondere auch Fußnote 1 (abgerufen am 20.2.2019)

 

 

[ Übersicht: Aktuelles ]