»Etwas Warmes braucht der Mensch!«

Neustart nach einem schwierigen »Abenteuer«

von Timo Roller

29.10.2021

»Etwas Warmes braucht der Mensch« – so hieß es früher in einem Werbespruch. Ja, etwas Warmes tut gut. In meinem Fall war es eine Klostergemüsesuppe, angereichert mit zwei Outdoor-Würsten.

Eigentlich würde man beim Stichwort »Appenzell« zunächst an Käse denken, nicht an Suppe. Natürlich habe ich eine Tüte mit Käse als Mitbringsel gekauft. Aber im Kloster »Maria der Engel« in Appenzell gab es eben diese Suppe, zum Selbermachen.

Hier endete – quasi »offiziell« für mich persönlich – mein bislang größtes und schwerstes Abenteuer, das mich – ganz anders als meine bisher eher »oberflächliche« Spurensuche nach Orten und Personen der Bibel – in der Tiefe getroffen hat. Unter der Überschrift »Meine Hiobsbotschaft« habe ich in den letzten Monaten von den Erfahrungen geschrieben, die ich während meiner Krebsbehandlung gemacht habe.

In den vier Tagen nach meinem 49. Geburtstag, Anfang Oktober, wollte ich meine Krankheitszeit hinter mir lassen: Wie belastbar bin ich wieder? Körperlich, psychisch, seelisch? Wenn die medizinische Behandlung überstanden sei, müsse Raum und Zeit sein für die mentale Verarbeitung, hatte eine Beraterin gesagt.

Die ersten beiden Tage sollten ein Outdoor-Erlebnis werden. Leider hat der Regen samt umgestürzter Bäume die geplante Bergtour zu einer stark verkürzten Wanderung werden lassen. Die Kälte machte eine Übernachtung im Auto zu einer eher unangenehmen Erfahrung.

Doch dann war Einkehrtag im sehr katholisch geprägten Kloster. In meinem Nachttisch lag neben der ökumenischen Gute-Nachricht-Bibel ein Rosenkranz. Bilder und Skulpturen von Maria und von Heiligen waren in den Fluren und Zimmern zahlreich anzutreffen. Es waren keine weiteren Gäste da, ich hatte den ganzen Gebäudekomplex weitgehend für mich. Der Orden existiert nicht mehr, Herberge und Klosterladen werden von engagierten Freiwilligen betrieben.

Ich hatte an diesem Einkehrtag, am 7. Oktober, viel Zeit: zum Lesen und um mir Gedanken zu machen, einige Zeilen zu schreiben. Um die Bibel zu studieren. Ich beschäftigte mich mit Petrus, denn mit ihm fühle ich mich zur Zeit besonders verbunden. Ein Engel rettete ihn aus dem Gefängnis, er erlebte ein wahres Wunder. Und doch wurde kurz davor sein Glaubensbruder Jakobus umgebracht (siehe Apostelgeschichte 12).

Menschen leiden und sterben an Krebs. Ich selber bin geheilt. Warum? Ein Wunder, ja. Aber warum für mich und für andere nicht?

Im ersten Brief von Petrus bin ich dann über diese Verse gestolpert: »Dann werdet ihr euch freuen, die ihr jetzt eine kleine Zeit, wenn es sein soll, traurig seid in mancherlei Anfechtungen, auf dass euer Glaube bewährt und viel kostbarer befunden werde als vergängliches Gold, das durchs Feuer geläutert wird, zu Lob, Preis und Ehre, wenn offenbart wird Jesus Christus.« (1. Petrus 1, 6+7)

Die Klostersuppe brachte eine wohltuende Wärme in meinen Körper. Nach den Tagen und der Nacht in der Kälte war das großartig. Während und nach meiner ganzen Behandlung hatte ich am liebsten das Vertraute, Warme, das Angenehme und Gemütliche. Dann diese zwei kalten Tage in den Bergen, als ich mich hinausgewagt habe aus der Komfortzone, sie haben mir im Nachhinein gut getan, mich weitergebracht. Ein anderer Blick, ein anderes Erleben als im Alltag. Kälte, Regen – aber dann wieder ganz besonders diese Suppe und diese Zeit im Kloster. Wärme – körperlich, aber auch in der Seele. Die Nähe Gottes.

Feuer, Hitze – das ist etwas ganz anderes als Wärme. Wie Kälte ist Hitze unangenehm, gefährlich. Und hat doch offensichtlich ebenfalls etwas Reinigendes. Zumindest für das Edelmetall Gold.

Wurde mein Glaube wie durchs Feuer geläutert? Wurde er durch die herausfordernden Monate zu einer geläuterten, reineren Form gebracht? Petrus wird nicht immer als Glaubensvorbild präsentiert. Er hat Jesus in dessen schwierigster Zeit dreimal verleugnet. Wie oft war ich selbst schwach und habe meinen Glauben verraten? Durch Taten, Worte oder Gedanken? Während meiner Behandlung, nach einer schwierigen Nacht, stand einmal in der Losung: »Siehe, ich habe dich geprüft im Glutofen des Elends.« (Jesaja 48,10, am 21. April 2021)

Ich war im Kloster auf den Spuren von Petrus, aber auch von Hiskia, der um Rettung gebetet hat (siehe Jesaja 38) – und natürlich auf den Spuren Hiobs. Inzwischen bin ich aber auch wieder sehr stark fasziniert von verschiedenen archäologischen Themen und von der Suche nach der Arche Noah. Ich glaube, Gott hat mir – wie König Hiskia – noch einmal Zeit gegeben, um mein Abenteuer fortzusetzen: für meine Suche nach Hinweisen für die Glaubwürdigkeit der Bibel und für meine Aufgabe, die gewonnenen Erkenntnisse anderen weiterzusagen.

Ja, aus heutiger Sicht kannte ich Gott wie Hiob nur vom Hörensagen (Hiob 42,5), nun bin ich an meiner Krankheit gewachsen, gereift, mein Glaube ist »bewährt und viel kostbarer befunden«. Nicht perfekt – aber es ist ja auch nicht mein Glaube, der entscheidend ist, sondern die Gnade Gottes. Es ist sein Geschenk an mich, dass ich weitermachen, dass ich weiterleben kann.

Bei Hiskia wollte Gott »fünfzehn Jahre zu deinem Leben hinzutun« (2. Könige 20,6); Hiob lebte nach seiner Krise hundertvierzig Jahre und sah seine Kinder und Kindeskinder bis in das vierte Glied. Er starb alt und lebenssatt (siehe Hiob 42,16+17); Petrus starb laut Überlieferung etwa 20 Jahre nach seiner wunderbaren Befreiung als Märtyrer in Rom, der imposante Petersdom im Vatikan erinnert an ihn. Ich weiß nicht, welches Schicksal Gott für mich bereithält, aber ich möchte die Zeit nutzen, um weiter meiner Berufung nachzugehen.

Die Auszeit in der Schweiz endete übrigens doch noch mit einem Blick vom Gipfel – nach einer Seilbahnfahrt auf den »Hohen Kasten« bei schönstem Sonnenschein am Vormittag vor der Heimfahrt! Gestärkt und gesegnet bin ich dann zurückgekehrt und habe inzwischen mit der Wiedereingliederung begonnen. 36 Wochen war ich krankgeschrieben. Nun hat der Neustart begonnen!

Blick auf das Alpstein-Gebirge vom Hohen Kasten aus.

 

 

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