Das erste »Noah und Berg Cudi Symposium« in Sirnak war ein Meilenstein in der Geschichte der Erforschung der Sintflut und der Arche Noah. Das Scheinwerferlicht richtet sich inzwischen weg vom Agri Dagh (in christlichen Gemeinden oft »Ararat« genannt) und hin auf den Cudi Dagh – dies ist mit hoher Wahrscheinlichkeit der wahre Landeplatz von Noahs Arche. Aus den Fenstern des Seri-Nuh-Hotels, in dem wir uns im September 2013 versammelt hatten und unser Wissen über Noah, die Sintflut und die Arche auf akademischem Niveau austauschten, konnten wir hinüber zur Silhouette des Cudi-Gebirges sehen.
Es war eine der wichtigsten Reisen meines Lebens. Mein Buch »Das Rätsel der Arche Noah« wurde einige Monate später im Jahr 2014 veröffentlicht. In den zurückliegenden Jahren fand sich der Cudi Dagh in mehreren wichtigen Veröffentlichungen wie zum Beispiel »The Ark before Noah« des bekannten Assyrologen Irving Finkel oder in »A Flood of Evidence« derjenigen amerikanischen Kreationisten, die in Kentucky für den Bau einer lebensgroßen Arche verantwortlich waren. Es ist also offensichtlich: Cudi Dagh ist nicht mehr länger ein vergessener heiliger Ort.
Einer der wichtigsten Vorträge des Symposiums 2013 war »Cudi Dagi'nda Kadim Bir Mesken: Sah Köyü« (»Das Dorf Sah: eine Siedlung am Berg Cudi«) von Professor Dr. Ibrahim Baz.
Prof. Baz präsentierte neue Informationen und Fotografien von Felsreliefs assyrischer Könige, die vor etwa 2700 Jahren an den Hängen des Cudi-Gebirges angebracht wurden. Dieser Vortrag – und andere – waren sehr wertvoll für meine Forschung, die in der Veröffentlichung meines Buches mündete.
Die Diskussion darüber erreichte im November 2014 das weltweit meistverkaufte Archäologiemagazin »Biblical Archaeology Review«. In der damaligen Ausgabe wurde ein Foto von Prof. Ibrahim Baz eines Felsreliefs am Cudi Dagh abgedruckt.
Diese Felskunstwerke nehmen uns mit auf eine Reise weit in die Vergangenheit, auf den Spuren der Pilger zu Noah und der Arche. Sie sind wohl die ältesten archäologischen Zeugnisse von Pilgerreisen zum Cudi Dagh, dem Berg, der heute als Landeplatz der Arche wieder an Bekanntheit gewinnt.
Begleiten Sie mich auf den Spuren der Pilger durch die Jahrhunderte und Jahrtausende!
Als ich damals am Symposium teilnahm, hoffte ich, gemeinsam mit meinen Gefährten Bill Crouse, Mark Wilson, Gordon Franz und John Baumgardner, am 29. September 2013 die »Sefine« – den Landeplatz der Arche – zu erreichen. Durch einige widrige Umstände konnte der Ausflug zum Gipfel leider nicht stattfinden.
Einige Einheimische schafften es jedoch in jenem Jahr bis zum Gipfel und stellten ihre Füße genau an den Ort, an dem Noah vor einigen tausend Jahren gelebt haben könnte. Und sie beteten! Sie reihten sich ein in die Schar der Pilger auf der Suche nach unserem Vorfahren Noah.
Im Jahr 2020 sicherte die türkische Armee während einer Militärkampagne den Gipfel des Berges Cudi. Soldaten und Politiker beteten damals innerhalb der heiligen Mauern der Sefine.
Gab es die Arche wirklich und landete ein echtes Schiff auf einem echten Berg? Ich halte dies für sehr wahrscheinlich – und einer der wichtigsten Hinweise auf die Glaubwürdigkeit dieser Geschichte, die in der Bibel, dem Koran, dem Gilgamesch-Epos und anderen sehr alten Quellen überliefert wurde, ist das vierfache Zeugnis von Flavius Josephus. Viermal weist er auf existierende Überreste der Arche Noah hin, sodass davon ausgegangen werden kann, dass sie im ersten Jahrhundert n. Chr., als Flavius Josephus seine »Jüdischen Altertümer« niederschrieb, noch zu sehen waren und sich Skeptiker mit eigenen Augen von ihrer Existenz überzeugen konnten.
Hier sind seine Aussagen, drei davon erzählen von der Zeit Noahs, die vierte gibt einen viel späteren Vorfall wieder [siehe Roller 2014, S. 94]:
Aber auch in späterer Zeiten wurde in der Literatur und in Legenden von Augenzeugen bis ins 20. Jahrhundert (oder sogar bis heute!) berichtet, die verrostete Nägel gesehen hätten. Es stellt sich daher die Frage: Können wir heute noch Teile der Arche Noah finden?
Trotz der Tatsache, im Bereich der »Sefine« (türkisch »Schiff«, der landläufige Name des traditionellen Landeplatzes) keine Überreste der Arche zu sehen sind (zumindest nicht auf den vielen Fotos, die ich bisher gesehen habe), könnten möglicherweise Überreste unter der Oberfläche durch geophysikalische Untersuchungen lokalisiert werden.
Leider sind in dieser Hinsicht seit dem letzten Symposium im Jahr 2013 keine Fortschritte erzielt worden, aber ich hoffe, dass in Zukunft archäologische Forschungen auf dem Gipfel des Cudi Dagh durchgeführt werden können.
1989 besuchte Bill Crouse das Kloster Etschmiadzin in Armenien [Roller 2014, S. 168] und untersuchte eine Reliquie, die ein Stück der Arche Noah enthalten soll, das im 4. Jahrhundert n. Chr. vom Heiligen Jakob, dem Bischof von Nisibis (heute Nusaybin), gesammelt wurde. Wie aus historischen Aufzeichnungen bekannt ist, war Jakob nie, wie heute oft behauptet wird, am Agri Dagh, jedoch war er an oder auf dem Berg Cudi!
Die Reliquie wurde wahrscheinlich nie mit wissenschaftlichen Methoden untersucht, aber ihre geschichtlichen Hintergründe lassen es plausibel erscheinen, dass sie einen echten Überrest der Arche enthalten könnte.
Einer der ersten Leser meines Buches war Detlev Simon, ein Abenteurer und Freund Südostanatoliens. Er besuchte das Kloster Mor Augin im Jahr 2014 und wie es dort heißt, soll einer der Balken in der Kirche des Klosters vom Cudi Dagh hierher gebracht worden sein und von der Arche stammen.
Nach der Überlieferung reisete der Gründer dieses Klosters, der Heilige Eugenius, mit Bischof Jakob von Nisibis zum Cudi Dagh – und so erscheint es durchaus möglich, dass er Holz des biblischen Schiffs mitbrachte.
Vor einigen Jahren besuchte ein Forscher des Bergs Cudi, Charles Willis, das Kloster und soll eine Probe in die USA mitgebracht haben. Da er jedoch kurz nach dieser Reise starb, wird die Probe verloren gegangen sein, niemand weiß, wo sie sich befindet.
Friedrich Bender war ein deutscher Geologe, der 1954 den Gipfel des Cudi Dagh besuchte und mit zwei einheimischen Führern eine kleine Ausgrabung durchführte. Was er fand, war »völlig zerfallener, schwarzer Holzmulm […]. Ich glaubte zunächst, es handle sich um die Reste eines alten Lagerfeuers. Schnell aber hatte ich festgestellt, dass die Holzreste asphaltverklebt waren!« [Roller 2014, S. 136]
Da Bender Wissenschaftler war, untersuchte er es in einem deutschen Labor: »Die Holzfragmente wurden nach gründlicher Auslösung des Asphaltes mit Tetrachlorkohlenstoff nach der C-14-Methode im Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung, Hannover, datiert und ein Modellalter von 6635 ± 280 Jahren (vor 1950) ermittelt. Eine Zweitmessung, wobei alles vorhandene Material verbraucht wurde, bestätigte dieses Ergebnis.« [Roller 2014, S. 137]
Vielleicht waren dies tatsächlich Stücke der Arche, aber durch die Tests wurde das Material restlos verbraucht und es scheinen keine Fotos vor der Untersuchung gemacht worden zu sein.
1983 bestieg eine Entdeckergruppe aus Landshut bei München den Gipfel des Cudi. Als Geschenk von ihrem ortskundigen Guide erhielten sie »haselnussgroße Brocken mürber, schwärzlicher Substanz« [Roller 2014, S. 142], die als Amulette gelten sollten. Hans Thoma hat mir 2009 eines dieser Stücke geschenkt.
Ein Freund von mir, Michael Feld, hat es 2016 in einem Labor mit Infrarotspektroskopie untersucht. Seine Analyse: »Es sieht also danach aus, dass es ein Kalkstein ist, der mit anderen Materialien organischen Ursprungs verunreinigt ist.« Es kann sich also nicht um versteinertes Holz handeln, sondern um ein Stück Felsbrocken, das möglicherweise von einer Katastrophe zeugt, die sich 766 n. Chr. auf dem Landeplatz der Arche ereignete [Roller 2014, S. 108), als das »Kloster der Arche« niederbrannte.
In meinem Besitz befindet sich also ein kleiner Gesteinsbrocken, an dem Rußpartikel haften, die tatsächlich von der Arche Noah stammen könnten!
Nach der Untersuchung von möglichen Überresten soll es nun um die Geschichte der Pilgerreisen zur Arche gehen – und zu Noah selbst: Hans Thoma und Friedrich Bender waren zwei der »Deutschen Erforscher des Bergs Cudi«, die ich 2013 in Sirnak vorgestellt habe. Auch Gertrude Bell und Stephen Compton waren in den letzten 150 Jahren als »Ausländer« auf dem Cudi Dagh. Keiner von ihnen war ein »Pilger« im engeren Sinne des Wortes. Sie gingen aus eher wissenschaftlichem Interesse dorthin und wollten den heiligen Ort untersuchen, der sie – aus welchen Gründen auch immer – faszinierte.
Trotzdem gab es in den vergangenen Jahrhunderten Pilger auf Cudi Dagh – sogar viele davon! Zumindest bis in die 1910er Jahre gab es die Tradition, dass Menschen verschiedener Glaubensrichtungen einmal im Jahr zu den Ruinen auf dem Gipfel des Berges kamen. Ein Foto aus dem Jahr 1950 zeigt eine sehr große Pilgergruppe, ein Fest zu Ehren des Propheten Noah fand damals noch statt mit Gläubigen verschiedener Religionen aus der Türkei und anderen Ländern [Roller 2014, S. 170].
Als Konflikte und Terror in der Gegend zunahmen, verschwand diese Tradition. Hoffentlich wird sie in nächster Zukunft wieder aufblühen!
Im Laufe der Jahrhunderte sind viele Reisen von Pilgern dokumentiert, die Überreste der Arche gesehen haben sollen, die Erinnerung an Noah bewahrten und auf dem Gipfel und in den Tälern des Cudi Kirchen und Moscheen bauten, Bischöfe und Gelehrte waren darunter. Bill Crouse gab in seinem Vortrag, den er 2013 in Sirnak hielt, einen Überblick [Crouse 2013, S. 404ff, siehe auch Roller 2014, S. 96ff]:
Dies ist nur eine Auswahl der Quellen, die uns zeigen, dass Überreste der Arche Noah offensichtlich auch in den letzten zweitausend Jahren noch gesehen und besucht werden konnten.
Zusätzlich existieren Überlieferung, die den Bau einer Kirche und eines Klosters auf der Spitze des Berges Cudi im 4. Jahrhundert bezeugen sowie die Zerstörung durch einen großen Brand mit vielen Opfern im 8. Jahrhundert.
Auch in vorchristlicher Zeit galt der Berg Cudi als heiliger Ort. Von Flavius Josephus erfahren wir nicht nur von Resten der Arche Noah in seiner Zeit, sondern auch von deren religiöser Bedeutung. Er schreibt unter Berufung auf Berosus, »dass manche Harz davon entnehmen, um sich desselben als Zaubermittel gegen drohende Übel zu bedienen.« [Josephus, 1/3/6]
Daher ist es sehr wahrscheinlich, dass in den Jahrhunderten zwischen Berosus und Josephus (300 v. Chr. bis 70 n. Chr.) viele Pilger Holzstücke als Amulette aus der Arche mitnahmen. Und es würde nicht überraschen, wenn nach Jahrhunderten der Plünderung des biblischen Schiffs sowie nach der Brandkatastrophe von 766 n. Chr. keine sichtbaren Überreste mehr vorhanden sind.
Nun reisen wir noch weiter in der Zeit zurück zu den Völkern der Babylonier und Assyrer: Aus den beiden Großreichen im Zweistromland sind uns Zeugnisse überliefert, die Aufschluss geben über Ereignisse, Kriege und religiöse Überzeugungen von vor 2700 Jahren.
König Sanherib von Assyrien befahl seinen Steinmetzen, seine Taten, Bauwerke und Eroberungen in zahlreichen Reliefs und Inschriften für die Nachwelt festzuhalten. Und so haben wir sehr viele archäologische Zeugnisse aus seiner Regierungszeit, die auch mit seinen Zeitgenossen in Juda und anderen Königreichen in Verbindung gebracht werden können. So gibt es beispielsweise vier verschiedene Quellen über die Eroberung der judäischen Stadt Lachisch durch die Assyrer: den biblischen Bericht selbst, Zylinder mit Sanheribs Annalen in Keilschrift, die Reliefdarstellungen aus seinem Palast in Ninive, die heute im British Museum in London ausgestellt sind. Und schließlich die Funde der Ausgrabungen am Tell Lachisch im heutigen Israel.
Einige seiner Inschriften erzählen uns von »Amuletten, die vom Fuße des Berges Nipur gebracht wurden und für Regen sorgen und Krankheiten abwehren sollten« [Luckenbill 1924, S. 132]. Dieser Berg Nipur ist ist nachweislich der Cudi Dagh, wo sechs Felsreliefs gefunden wurden, die Sanherib in anbetender Haltung zeigen, ebenfalls mit Inschriften versehen. Die jüdische Überlieferung erzählt, dass ein Stück der Arche Noah in den Tempel des Königs in Ninive gebracht worden war und mit dem identisch ist, was die Bibel als »Gott Nisroch« bezeichnet [Finkel 2014, S. 291]. Sogar Irving Finkel weist darauf hin, dass »ein Jagd-nach-der-Arche-Ereignis« [Finkel 2014, S. 292] mit Sanherib verknüpft sein könnte. Gordon Franz hat dieses Thema beim Symposium 2013 sehr ausführlich beleuchtet!
Eine Untersuchung der Reliefs von Ninive durch Joshua Jeffers ergab, dass einige von ihnen den fünften Feldzug von Sanherib darstellen, »der auf Feinde im Norden des assyrischen Kernlandes im Zagros-Gebirge gerichtet war« [Jeffers 2011, S. 87]. Obwohl Jeffers davon ausgeht, dass die Reliefs der Räume XXXVIII und XLVIII des Königspalastes in Ninive nur »das Territorium von Ukku« darstellen [Jeffers 2011, S. 100] und diese Militäraktion nicht unmittelbar mit dem Angriff auf den Berg Nipur zusammenhängt, schlage ich eine andere Interpretation vor: Die Platten 11–12 von Raum XLVIII scheinen sehr gut in die topografische Landschaft südlich des Bergs Nipur (des Cudi Dagh!) zu passen. Es gibt ein bergiges Gebiet mit einem Fluss und offensichtlich einer Insel. Könnte dies der Fluss Tigris und das antike Cizre sein?
Auf den Hügeln befindet sich ein eher ungewöhnlicher Palast oder Tempel, der von einer oberen und einer unteren Festung geschützt wird – eine ganz andere Darstellung als die anderer urartäischer Gebäude, die auf weiteren Reliefs gezeigt werden. Könnte dies ein ganz besonderer Heiliger Ort sein, das ein ganz einzigartiges »Gebäude« enthielt, das in eine Festungsanlage integriert war? Ist hier möglicherweise ein Abbild der Arche selbst zu sehen?
Jeffers stellt fest: »Die Säulen vor dem Tempel sind wahrscheinlich eine Darstellung heiliger Bäume« [Jeffers 2011, S. 107]. Was für eine Art Bäume oder Balken sieht man tatsächlich vor dem Gebäude? Schneiden die assyrischen Soldaten Holzstücke von der Arche ab und bringen sie als Reliquien von der Heiligen Stätte in den Tempel ihres Königs in Ninive, wie uns die jüdischen Legenden erzählen?
Am Fuße der Hügel sind zahlreiche Weinreben und Tauben zu sehen – Symbole, die an den biblischen Bericht von Noah erinnern, der sich in der neuen Welt niederließ, nachdem die Arche auf den »Bergen von Ararat« gelandet war. – Andererseits könnten dies auch Symbole einer Fruchtbarkeitsgöttin sein. Da eine Inschrift fehlt, die dieses Reliefs genauer beschreibt, muss dies alles eine vage Vermutung bleiben.
Auffällig ist aber auch der Satz »Wie eine Sintflut ebnete ich die Stätte ein.« [Jeffers 2011, S. 89] bei der Beschreibung der Ereignisse um die Stadt Ukku während derselben Fünften Kampagne.
Nun kehren wir zum eingangs erwähnten Relief zurück, das von Prof. Baz fotografiert wurde und im Magazin »Biblical Archaeology Review« [BAR 2014-11] erschien. Es handelt sich um ein einzigartiges Relief, das nicht offensichtlich nicht wie die anderen sechs Bildnisse König Sanherib darstellt! Es zeigt einen früheren König oder Würdenträger!
Die Redaktion von »Biblical Archaeology Review« fragte den renommierten Experten Alan Millard, ehemals Professor in Liverpool, um wen es sich bei der Darstellung handeln könnte. Millard erklärte, dass es sich um den mächtigen Präfekten Shamshi-Ilu handeln könnte, der von ca. 780 bis 745 v. Chr. in der Nähe des Cudi Dagh unterwegs war. Die Figur trägt keine Kopfbedeckung, wie man es von einem assyrischen König erwarten würde.
Sargon II, der Vater von Sanherib, oder Salmanassar III wurden von anderen Forschern als mögliche Kandidaten des unbekannten Königs vorgeschlagen.
Mein eigener Vorschlag ist ziemlich gewagt: Ich habe visuelle Ähnlichkeiten mit dem Relief auf einem Sockel entdeckt, der den mittelassyrischen König Tukulti-Ninurta I. zeigt. Eine Inschrift identifiziert diesen König zweifelsfrei. Im Pergamonmuseum in Berlin habe ich diesen Sockel vor einigen Monaten in Augenschein genommen.
Keilschrifttexte berichten von Feldzügen Tukulti-Ninurtas I., die ihn und seine Truppen in die Gegend um den Berg Cudi führten [Wartke 1993, S. 37], daher ist es möglich, dass er tatsächlich der erste König war, der am Fuße des heiligen Berges Cudi Dagh ein Relief in den Fels meißeln ließ.
Gegen diesen Vorschlag gibt es allerdings gewichtige Einwände, die ich derzeit noch mit Wissenschaftlern diskutiere.
Die Identität des »unbekannten Königs« bleibt daher vorerst ungeklärt, sollte es sich jedoch tatsächlich um Tukulti-Ninurta I. handeln, könnte man eine weitere Schlussfolgerung ziehen: Die heiligen Gegenstände, die auf dem Sockel in Berlin dargestellt sind, könnten ein Brett und einen Nagel aus der Arche Noah sein, das der König verehrte, so wie es auch von seinem späteren Nachfolger Sanherib überliefert ist! Dies muss aber Spekulation bleiben.
Nachdem wir den Pilgern in die ferne Vergangenheit vor 3000 Jahren gefolgt sind, gibt es schließlich einen sehr berühmten Mann, der aber eigentlich nicht auf der Suche nach der Arche war, sondern nach Noah selbst: Dieser Pilger war Gilgamesch, der mächtige König von Uruk. Wenn wir der Geschichte in der Bibel vertrauen, muss Noah in diesen Frühzeiten der Geschichte noch am Leben gewesen sein, da er ein Alter von 950 Jahren erreichte. So hätte er einige seiner Nachkommen überleben können, die erst nach der Flut geboren wurden.
Und so hielt Gilgamesch Noah – Utnapischtim in seiner Sprache – für eine unsterbliche Person und wollte von ihm das Geheimnis dieser Unsterblichkeit erfahren. Das Gilgamesch-Epos erzählt von seiner langen und abenteuerlichen Expedition zur Wohnstätte von Utnapishtim, die sich nach einer sehr alten Quelle im Berggebiet von Aratta befunden haben könnte [George 2003, S. 163]. Aratta ist möglicherweise die frühere Bezeichnung des späteren sogenannte Urartu – dem biblischen Landes Ararat –, das sich nördlich des mesopotamischen Tieflandes befand. Gerade dort also, wo das Cudi-Gebirge als erste Erhebung emporragt. Gilgamesch erlangte keine Unsterblichkeit und auch Utnapischtim-Noah starb später im hohen Alter. Trotzdem könnte Gilgamesch der allererste Pilger in der Geschichte der Menschheit gewesen sein, der Noah aufsuchte!
Wir kennen sogar noch frühere Ereignisse, die sich auf die Zeit Noahs beziehen und außerhalb unserer Heiligen Schriften aufgezeichnet wurden. Ein Epos namens »Enmerkar und der Herr von Aratta« erzählt nicht die Geschichte eines Pilgers, sondern offensichtlich eines Rivalen der Bewohner von Aratta: Dieser Rivale, der Herrscher von Uruk und Vorgänger Gilgameschs, hieß Enmerkar und wurde von einigen Gelehrten mit Nimrod gleichgesetzt [Rohl 1998, S. 210], den wir aus dem Buch Genesis kennen.
Auf unserer »Pilgerreise« zurück in der Zeit haben wir nun die Tage Noahs erreicht. Es ist erstaunlich, wieviele außerbiblische Überlieferungen mit den Erzählungen der Bibel übereinstimmen und das, was sie berichtet, sogar um spannende Facetten ergänzen. Die meisten Wissenschaftler in heutiger Zeit haben die historischen Grundlagen der Heiligen Schrift dagegen längst über Bord geworfen und für hinfällig erklärt.
Von Gebetsversammlungen der Einheimischen auf dem Berg Cudi in der Gegenwart sind wir zu den Pilgerfesten und heiligen Stätten in vergangenen Jahrhunderten gereist, dann zu den Königen der alten Reiche und den Helden uralter Epen – auf der Suche nach der Arche, Noah und göttlicher Unsterblichkeit.
Und am Ende unserer Reise scheint eine zugrundeliegende Wahrheit zu erscheinen: Alle Nationen und Religionen haben im Zeitalter Noahs ihren gemeinsamen Ursprung. Sind er und seine Familie die Vorfahren der gesamten Menschheit? Ich glaube das.
Vielleicht können wir uns beim Anblick dieses Bergs – des Cudi Dagh – an unseren Gott und Schöpfer erinnern und ihn gemeinsam anbeten. Vielleicht können wir untereinander in Frieden leben als Geschwister – welche Nationalität oder Religion wir auch haben mögen! Wir sind alle Kinder Gottes! Diese Erkenntnis könnte der spirituelle Überrest der Arche sein – ein Schatz und zugleich eine Grundlage für zukünftige gemeinsame Forschungen und Pilgerfahrten zu Noah und zum Cudi Dagh.
Das Video mit meinem Vortrag in englischer Sprache: