690 Seiten über das Noah-Symposium in der Osttürkei

Eine Zusammenstellung der Papers durch die Universität Sirnak

15.10.2014

Am 4. Juni 2014 erhielt ich mein lange ersehntes Belegexemplar des Buches »International Noah and Cudi Mountain Symposium Papers« von der Universität Sirnak. Es hatte mehrere Monate gedauert, bis die Beiträge des dreitägigen Kongresses im September 2013 zu Papier gebracht waren, doch das 690 Seiten starke Werk schien nun das Warten wert gewesen zu sein.

Ein dickes Buch über Noah und den Berg Cudi. Leider wurde es auf dem Postweg ein wenig beschädigt.

In der Tat enthält es wichtige Beiträge rund um den Landeplatz der Arche aus historischer, archäologischer und geologischer Sicht. Leider ist nur ungefähr ein Drittel der Beiträge auf Englisch, der Rest ist überwiegend in türkischer Sprache abgedruckt, ein Teil sogar ausschließlich auf Arabisch. Ich hätte mir gewünscht, dass wenigstens eine kurze Zusammenfassung der Beiträge auch in den jeweils anderen Sprachen verfügbar wäre. Vor allem die einleitenden Worte der Universitätsverantwortlichen und der lokalen Politiker wären sicherlich sehr interessant zu lesen. Archäologisch einzigartige Beiträge wie diejenigen des Museumsdirektors von Cizre, Abdullah Yasin, oder des Uni-Professors und Hobby-Archäologen Prof. Ibrahim Baz sind für die internationale Cudi-Forschung von Bedeutung. (Von beiden Vorträgen habe ich die Tonaufnahme des leider etwas überforderten englischen Übersetzers. Wer sich dafür interessiert, kann sich gerne an mich wenden.)

Die englischen Beiträge des Bandes sind die folgenden:

John Baumgardner umreißt die Auswirkungen der biblischen Sintflut auf die aus seiner Sicht kurze Erdgeschichte.

Mark Wilson bietet einen Überblick über die zahlreichen Stellen im Neuen Testament, an denen Noah und die Flut erwähnt werden.

Auch Miroslaw Patalon aus Polen geht auf die christlichen Traditionen zur Sintflut und auch deren heilsgeschichtliche Bedeutung ein.

Marcel Sigrist ist ein bekannter Keilschriftexperte und sieht die Geschichte Noahs als Mythos an: »Wir können hier [am Beispiel der Sintflut-Überlieferungen] nachvollziehen, wie ein historisches Ereignis – massive Überschwemmungen – in mythologische Erzählungen einzieht und schließlich in der Bibel als religöser Text geschildert wird, der eine Grundlage des Bündnisses zwischen Gott und Mensch bildet.« (S. 207) Im Gegensatz zu den meisten anderen Teilnehmern des Symposium vertritt er damit die eigentlich in der Wissenschaft vorherrschende Meinung, dass die Arche Noah wohl niemals existiert hat.

N.B. Popkhadze geht – wie viele andere Autoren auch – auf die Bedeutung der Sintflut unter muslimischen Gelehrten ein. Im Gegensatz zu den meist türkischen und arabischen Beiträgen, die die islamische Perspektive wiedergeben, referierte und schrieb der Theologe aus Georgien auf Englisch.

Bill Crouse steuert den wichtigen Grundlagenartikel über die Auseinandersetzung zwischen Ararat und Cudi zum Buch bei, sein Beitrag »Five Reasons Noah’s Ark Did not Land on Mt. Ararat; Five Reasons Why It Did Land On Cudi Dagh« war zum Auftakt des Kongresses zu hören, die Medien interssierten sich besonders dafür.

Gordon Franz beschreibt die Rolle Sanheribs und seiner mutmaßlichen Verehrung der Arche Noah, auch dies ein besonders wichtiger Beitrag im Buch. Die grundsätzlichen Aussagen seines Beitrages sind auch in meinem Artikel »Gottes Axt und Noahs Planke« enthalten.

Anne Habermehl begründet den Cudi als richtigen Berg mit seiner geologischen Besonderheit gegenüber dem Vulkan Ararat.

Rex Geissler, der schon an mehreren Expeditionen auf den Berg Ararat teilgenommen hatte, fiel auf dem Symposium die schwierige Aufgabe zu, dieses berühmte Expeditionsziel am Fuße des »Konkurrenz-Berges« als Landeplatz der Arche zu verteidigen. Sein Beitrag hat leider nicht den Weg ins Buch gefunden.

Schließlich ist mein eigener Beitrag der letzte auf Englisch. Er kann online nachgelesen werden, auch mein Freund Bill hat sein Paper freundlicherweise als PDF zur Verfügung gestellt. Anne Habermehls Beitrag ist auf ihrer eigenen Seite online zu finden.

Im Bildteil gibt es einige Impressionen vom Symposium und Bilder des Cudi-Gebirges.

Insgesamt ist das Buch ein wichtiges Werk, das allerdings einige Unzulänglichkeiten aufweist. Zunächst ist dies sicherlich die fehlende Bereitstellung englischer Zusammenfassungen – daneben gibt es etliche Formatierungsfehler, die das Lesen der Texte teilweise erschweren. In meinem eigenen Beitrag fehlen leider jede Menge Fotos, die ich der Universität zur Verfügung gestellt hatte. In der Onlineversion und natürlich in meinem Buch, das die Erkenntnisse meines Beitrags auf Deutsch enthält, sind sie enthalten.

Die 690 Seiten sind für den englischsprachigen Leser leider nur zu einem Bruchteil des Gesamtumfangs zu gebrauchen. Trotzdem sind die Beiträge einzigartig und für die Arche-Forschung wichtig. Ein farbiger Bildteil am Ende wertet das Buches weiter auf.

Das Buch trägt eine ISBN-Nummer (978-605-88496-2-4), ist aber leider international nirgends verfügbar (außer inzwischen in der Bibliothek der »École biblique« in Jerusalem, wo wahrscheinlich Marcel Sigrists Exemplar eingesehen werden kann). Nach Auskunft eines der verantwortlichen Redakteure kann es direkt bei der Universität Sirnak (http://www.sirnak.edu.tr) zum Preis von 20 Euro erworben werden. Wer sich dafür interessiert, kann sich auch gerne an mich wenden.

Timo Roller

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