Der Film hätte eine Weltsensation werden können! Übersetzt in viele Sprachen, gezeigt in Kinos rund um den Globus. Er hätte »Die Entdeckung der Arche Noah« heißen können – »Finding Noah's Ark«. Doch so heißt der Film nicht. Er heißt »Finding Noah«, denn die Arche wurde nicht gefunden. Und dieser Titel klingt einfach besser als »Finding Nothing«.
Die Spannung wird hochgehalten – sie war sicher auch hoch: bei den Forschern und der Filmcrew. Das ist zu spüren. Ein immenser Aufwand, eine große Gruppe von Wissenschaftlern, Abenteurern und Predigern. Jahrelange Vorbereitungen und immer wieder Expeditionen: Hoch auf den Ararat. Vielversprechende Satellitenbilder und ominöse Geheimdienstinformationen. Ein metertiefer Schacht, mit dem Bohrer noch tiefer. Und schließlich: »Nichts, nichts, nichts.« Die Enttäuschung ist den Forschern anzumerken. Holt Condren, ein professioneller Abenteurer, sagt ernüchtert: »Der Höhepunkt meines Lebens wurde zur großen Enttäuschung. Drei Jahre Vorbereitung, ein Kindheitstraum.«
Dabei war Richard Bright – wahrscheinlich der ambitionierteste Archesucher aller Zeiten – überzeugt: »Die Struktur ist dort!« Übereinstimmende Augenzeugenberichte, dazu noch vielversprechende Ergebnisse technischer Untersuchungen, die Truppe mit Don Patton und Randall Price war sehr überzeugt vom großen Durchbruch. Der Expeditionsleiter war bisher 26 mal auf dem Ararat – und auch nun wieder: vergeblich.
Der hervorragend gemachte und spannend inszenierte Film richtet zu Beginn den Blick auf die biblischen und außerbiblischen Quellen zur Sintflut, in die Geschichte der Erforschung des Berges. Es folgt ein ausführlicher Überblick über angebliche Arche-Sichtungen, ein Who-is-who der Entdecker, Fälscher und Scheiterer am »Schmerzensberg«. So heißt der Berg auf türkisch: »Agri Dagh«. Eine der Stärken des Filmes ist, dass er angebliche Arche-Funde als natürliche Struktur (Durupinar) oder als Fälschungen (Fernand Navarra, NAMI-Expedition) entlarvt. Immer noch glauben viele Christen, dass die Arche längst gefunden wurde.
Atheisten und Skeptiker kommen zu Wort: Bill Nye, der sich vor großem Publikum mit dem bekannten Kreationisten Ken Ham einen Schlagabtausch geliefert hatte. Oder David Montgomery, der schrieb: Steine lügen nicht, die biblische Flut kann niemals so stattgefunden haben, wie es die Bibel berichtet.
Am Ende beschönigt der Film nichts: Man gibt aufrichtig und ehrlich zu: Nichts wurde gefunden! Da ist riesige Enttäuschung, die Hoffnungen sind zerstört. Die Suche ist zuende, aufgrund der politischen Lage im Osten der Türkei ist sowieso nicht an eine Fortsetzung zu denken. Die Expeditionsteilnehmer versuchen trotzdem, es positiv zu sehen: »Ein Abenteuer des Glaubens« lautet der Untertitel des Films.
Doch welcher Glaube eigentlich? Die christliche Organisation »Creation Ministries International« prangert an, dass trotz der religiösen Überzeugungen der Forschertruppe der Kern ihres Glaubens, das Evangelium von Jesus Christus, im Film nicht greifbar wird. Auch wäre es besser gewesen, die Zeit und finanziellen Mittel in evangelistische oder apologetische Unternehmungen zu stecken.
Aus meiner Sicht war die Expedition von Anfang an zum Scheitern verurteilt: Man hat auf dem falschen Berg gesucht. Es ist eigentlich gar nicht sicher, welchen der »Berge von Ararat« die Bibel meint. Hier liegt die allergrößte Schwäche des Films: Obwohl erstklassige Bibelexperten und Wissenschaftler um die Diskussion über den genauen Landeplatz der Arche wissen, wird sie verschwiegen. Schon vor einiger zitierte Randall Price in einem Vortrag den Geschichtsschreiber Flavius Josephus, der den Landeplatz der Arche in Armenien ausweist. Doch dass das damalige Armenien sich viel weiter in den Süden erstreckte, unterschlägt er leider. Ebenso erwähnt er nicht die Bezeichnung »Berg der Kordyäer«, mit dem Josephus zusätzlich den Archeberg recht präzise lokalisiert. Frühchristliche und islamische Traditionen weisen ebenfalls auf diesen Koryäerberg hin – heute bekannt als Cudi Dagh im Südosten der Türkei, zwischen den Städten Sirnak, Cizre und Silopi.
Die angeblichen Augenzeugen und der mysteriöse Mister X, der als schattenhafter Interviewpartner im Film erscheint und rätselhafte Geheimdienstinformationen zu Verfügung gestellt haben soll, unterdrückten wohl alle historisch begründeten Zweifel am berühmten Großen Ararat. Wo das Gesuchte niemals war, kann es nicht gefunden werden! Und so hat der Ararat seinem wahren Namen alle Ehre gemacht und ist auch für die jüngste Ararat-Expedition wörtlich zum Schmerzensberg geworden.
Timo Roller