Folgenden Personen möchte ich nun auf ihren Expeditionen auf den Berg Cudi mit Beschreibungen, Texten und Bildern folgen:
Zu guter Letzt möchte ich meine eigene [bis 2013 nur virtuelle] Expedition zum Berg Cudi vorstellen und zeigen, wer sich sonst noch aus wissenschaftlichem Interesse mit diesem Berg beschäftigt.
Lange Zeit war ich der Überzeugung, dass Gertrude Bell als erster Mensch ein Foto auf dem Gipfel des Cudi gemacht hatte. Doch während meiner Recherchen entdeckte ich im Juni 2009 ein noch älteres Bild: Das erste Foto wurde zehn Jahre vor Bells Besuch auf dem Gipfel aufgenommen und datiert aus dem Sommer 1899.
Johannes Lepsius (1858–1926) war evangelischer Theologe und seine Kapitelüberschrift »Eine Besteigung des Ararat« im 1903 erschienenen Buch »Ex Oriente Lux« erläutert er im Untertitel: »Nicht der Masis an der Grenze Russlands, sondern der Dschudi am Nordrande von Mesopotamien ist nach orientalischer Überlieferung der ›Ararat‹ der Schrift«.
Die Verdienste von Gertrude Bell um die Erforschung des Cudi sind nicht hoch genug zu bewerten: Die britische Forschungsreisende, die als »der weibliche Lawrence von Arabien« und als die »ungekrönte Königin des Irak« bezeichnet wurde, hat der Welt spektakuläre Bilder und lebendige Schilderungen hinterlassen, die auch 100 Jahre nach ihrem Aufenthalt am 13. Mai 1909 noch mit das Hochwertigste sind, was über den Cudi Dagh zu finden ist. Sie schreibt unter anderem:
»Um 4 Uhr morgens ging es los […] Auf zum Cudi Dagh! Wir wanderten ungefähr zweieinhalb Stunden aufwärts durch Eichenwälder entlang der oberen Berghänge, unterhalb steiler Klippen. Dann kletterte ich aufwärts und alpines Hochland mit Schneekränzen breitete sich vor mir aus, darüber ein hoher felsiger Gipfel. […] Am Fuß der Felsklippen ließen wir den Esel mit Mejid zurück und kletterten eine halbe Stunde lang zur Sefinah hinauf, die wir um 8:35 Uhr erreichten. Scharlachrote Tulpen, immer noch in voller Blüte, umgaben sie.«
»Eine stattliche Ruine: grobe Kammern, überdacht mit Ästen und dünnen Baumstämmen, dazu ein Wasserbehälter weiter unterhalb bei einem Schneekranz. Eines der Gebäude besteht aus sehr großen Steinblöcken und scheint sehr alt zu sein. Ein wenig unterhalb – südlich – sind weitere Ruinen auf einem Plateau: möglicherweise die Grundmauern des alten Klosters. Das Gebäude hier besteht aus einem offen ummauerten runden Platz mit einigen Kammern ohne Dach zum Westen hin. Ich denke, es ist moslemischen Ursprungs.«
Das Foto einer Ruine auf dem Gipfel ist einmalig, auch ihre drei Begleiter hat sie in guter Qualität abgebildet. Und dass sie ein 180-Grad-Panoramabild aufgenommen hat, ist geradezu sensationell – auch wenn es etwas mühsam war, es aus dem Internet hervorzuholen, waren doch in der Datenbank des Gertude-Bell-Archivs – eine Fundgrube – die Dateinamen falsch bezeichnet.
Auch die rund um den Berg Cudi befindlichen und von L.W. King entzifferten Flachreliefs der Assyrer hat sie auf Zelluloid festgehalten. Wenn man eine Biografie dieser Frau liest, ist es schier unfassbar, was Gertrude Bell als weibliches Wesen im von Männer dominierten Orient geleistet hat.
Friedrich Bender war an Ostern 1954 (nach manchen Angaben 1953 – auch seine eigenen sind widersprüchlich) auf dem Berg Cudi und ich bin über eine Veröffentlichung in der amerikanischen Zeitschrift »Bible and Spade« auf ihn aufmerksam geworden. Leider war der Professor und Präsident der Bundesanstalt für Bodenforschung im Mai 2008 verstorben. Im Juni 2009 konnte ich aber seine Witwe Sigrid Bender besuchen und sie hatte Unmengen an Dokumenten und zahlreiche Bilder für mich vorbereitet.
In einer Ausgabe der Zeitschrift Kosmos aus dem Jahr 1956 beschreibt Friedrich Bender, wie ihn ein islamischer Hodscha (Priester) auf den Berg Cudi aufmerksam gemacht hatte:
»Am Cudi-Dagh seien noch heute Reste des alten Fahrzeugs hoch oben im Gebirge unter Sand verborgen. Er selbst sei vor ungefähr zwanzig Jahren dort gewesen und habe den Platz mit eigenen Augen gesehen. Die Stelle sei ein heiliger Wallfahrtsort für alle Rechtgläubigen in Kurdistan und dem nördlichen Arabien. Noch kein Christ sei je dort gewesen; doch glaube er, daß ich vielleicht einen Führer durch das unwegsame Land fände.«
Auf etlichen Bildern hat Bender seine abenteuerliche Reise zum Berg Cudi festgehalten. Das Einzigartige an Benders Expedition: der Geologe hat dort oben Ausgrabungen vorgenommen! Das Ergebnis einer näheren Untersuchung durch den Geologen:
»Die Holzfragmente wurden nach gründlicher Auslösung des Asphaltes mit Tetrachlorkohlenstoff nach der C-14-Methode im Niedersächsischen Landesamt für Bodenforschung, Hannover, datiert und ein Modellalter von 6635 ± 280 Jahren (vor 1950) ermittelt. Eine Zweitmessung, wobei alles vorhandene Material verbraucht wurde, bestätigte dieses Ergebnis. Als einzig mögliche Fehlerquelle kommt eine Kontamination mit unvollständig abgetrenntem Asphalt in Frage, dessen Alter sicher höher als 50.000 Jahre war. Dann kann die scheinbare Alterserhöhung maximal 400 Jahre betragen, falls der kohlenstoffhaltige Fremdanteil in der gereinigten Probe noch 5% betrug, was als unwahrscheinlich angesehen werden kann.«
Sein Fazit aus seinen Erkundungen am Cudi:
»Ich selbst denke, man sollte der Sache nachgehen. Immer wieder findet man ein Körnchen Wahrheit in alten Überlieferungen, und oft begann man erfolgreiche Unternehmungen mit weniger Ausgangsmaterial, als sich hier darbietet.«
Er selbst hat sich dieser Sache angenommen, jedoch ohne befriedigende Deutung und ohne jemals wieder den Gipfel zu erreichen. 1991 war er noch einmal am Fuße des Cudi-Gebirges, jedoch ließen es die politische Lage und seine gesundheitliche Verfassung nicht mehr zu, den Berg zu erklimmen. Für Bender selbst waren archäologische Funde wie die Flutschicht Woolleys in Ur und der Befund am Cudi nicht miteinander in Einklang zu bringen.
Eine weitere wichtige Reise während meiner Recherchen unternahm ich am 7. September 2009 nach Landshut. Dort traf ich den 84-jährigen Hans Thoma, seinen Sohn Christoph und ihren Gefährten Otmar Reiter. Sie waren im Sommer 1983 auf dem Gipfel des Berges Cudi und eher zufällig stieß ich Ende 2008 auf einen Bericht im Online-Archiv der Zeitung »Die Zeit«, in dem Christoph Thoma über den Aufstieg zum Ankerplatz der Arche schrieb.
Zwar war das eigentliche Ziel der drei ambitionierten Alpinisten der über 5000 Meter hohe Berg Ararat, doch der Abstecher zum Berg Cudi scheint einen starken Eindruck bei der Truppe hinterlassen zu haben. Den Berg bestiegen sie unter türkischem Begleitschutz und unter widrigen Umständen: Die Wasservorräte gingen durch eine Unachtsamkeit der Führer zur Neige und der Durst verhinderte wohl genauere Untersuchungen des Geländes auf dem Berggipfel. Trotzdem ist die Aussicht vom Cudi und auch der Landeplatz und weitere Ruinen recht eindrucksvoll auf Fotos festgehalten. In der Gesprächsrunde in Landshut konnten die drei auch ungefähr die Route auf den Gipfel in Google Earth nachvollziehen.
Höhepunkt des Treffens ins Landshut waren zwei kleine Gesteinsbrocken vom Berg Cudi, die Hans Thoma in einer alten Filmschachtel aufbewahrt hatte. Ich konnte sie ausführlich fotografieren und filmen – und später sogar näher untersuchen. Auf den ersten Blick scheinen sie recht unscheinbar und eine erste oberflächliche Begutachtung durch mehrere Geologen ergab tatsächlich, dass es sich wahrscheinlich nur um angekohlte Kalksteinstücke handelt.
Leider lässt sich die Lage des Fundorts nicht eindeutig beweisen. Christoph Thoma schreibt:
Der Hodscha schenkt uns zum Abschied ein paar haselnußgroße Brocken mürber, schwärzlicher Substanz. Er hat sie aus dem Untergrund des Landeplatzes gegraben, sagt er. Niemand von uns hat ihn dabei gesehen. Aber – und das ist eigenartig – auch die Menschen hier im Dorf Besiri tragen solche Klümpchen als Amulette um den Hals. Der Hodscha erklärt unmißverständlich: ›Reste von der Arche Noah.‹
Sind da endlich unsere Reliquien? Hans erinnert sich sofort an einen Artikel in der ›Umschau aus Wissenschaft und Technik‹ aus dem Jahre 1972. Da standen die rätselhaften Sätze zu lesen: Holzreste von einem Wallfahrtsplatz am Berg Dschudi, gefunden 1953 durch Dr. Friedrich Bender, nach der C-14-Methode datiert. Nach Entfernung von Bitumen-Verklebungen ergab sich für das Holz ein Alter von 6500 Jahren. ›Und genau zu der Zeit‹, sagt Otmar, ›waren erhebliche Teile Mesopotamiens nachweislich überflutet.‹
Haben wir also wirklich Reste der Arche Noah gefunden, beziehungsweise von unserem Hodscha geschenkt bekommen? ›Halten wir‘ s mit Goethe‹, meint Andi, ›der den Menschen geraten hat, das Unerforschliche ruhig zu verehren.‹ Und Peter läßt sich mit den Worten in den Autositz fallen: ›Der Rest ist halt Glauben, oder?‹« (Christoph Thoma: »Gute Tage unter dem Halbmond«
Wir sind stolz auf dieses Souvenir. Das Niedersächsische Landesamt für Bodenforschung [die Untersuchung nahm Friedrich Bender vor! a.d.A.] untersucht unsere ›Reliquien‹ nach der C14-Methode. Ergebnis: 19 850 Jahre alter Humusstoff.« (Christoph Thoma: »Aufstieg zum Ankerplatz der Arche«)
Ein weiterer großer Verdienst der Thoma-Truppe sind die Abdrücke einiger Flachreliefs, die sie mittels Silikon vorgenommen haben. Diese Jahrtausende alten Denkmäler sind stark vom Verfall bedroht, die Inschriften aber glücklicherweise schon seit 100 Jahren übersetzt. Auf ihre herausragenden Bedeutung komme ich später noch zurück.
Die HPG (»Hezen Parastina Gel«) ist der militärische Arm der kurdischen Befreiungsorganisation PKK. Im Internet fallen sie durch eine starke und medial moderne Präsenz auf. Ihre Anliegen tun sie in kurdischer, türkischer, arabischer, englischer und deutscher Sprache kund.
In Filmclips und großen Fotogallerien zeigen sie ihre beiden großen Leidenschaften: Freiheit, die sie durch Waffengewalt erzwingen wollen, und die herrlichen Gebirgslandschaften ihrer Heimat. Unter diesen Bildern habe ich einige Aufnahmen vom Berg Cudi gefunden, auch mehrere, die direkt auf dem Gipfel aufgenommen wurden.
Dabei ist eine größere Ruine »Sefine« – das bedeutet »Schiff« – aus zwei verschiedenen Blickrichtungen zu sehen, dann noch ein kleines Gebäude, das als »Haus Noahs« bezeichnet wird. Dort ist eine der Kinderwiegen zu sehen, die auch Hans und Christoph Thoma erwähnen.
Nun zum aktuellen [2010!] Forschungsstand: folgende vier Menschen haben sich in der jüngeren Vergangenheit mit dem Thema Berg Cudi auseinandergesetzt oder forschen teilweise immer noch daran:
David Rohl, Archäologe aus England, hat in seinem 1998 erschienen Buch »Legend – The Genesis of Civilisation« eine ausführliche Ausarbeitung veröffentlicht, warum er den Berg Cudi für den Landeplatz der Arche hält. Er versucht auch, viele weiteren Ereignisse aus dem Buch Genesis archäologischen Befunden zuzuordnen.
Charles Willis war schon einmal am Berg Cudi, nachdem er zuvor etliche Male am Ararat nach der Arche geforscht hatte. Auf den Cudi-Gipfel konnte er jedoch nicht gelangen. [Er ist 2012 verstorben.]
Bill Crouse hat die stichhaltigsten Argumente für den Berg Cudi als Landeplatz der Arche systematisch zusammengestellt und unter anderem in einer Ausgabe von »Bible and Spade« veröffentlicht, die auf seiner Internetseite www.rapidresponsereport.com heruntergeladen werden kann. Zu ihm stehe ich in engem E-Mail-Kontakt und wir tauschen regelmäßig gegenseitig unsere Erkenntnisse aus – eine deutsch-amerikanische Forschungsgemeinschaft.
Nun, ich selbst – Timo Roller – bin ein weiterer aktiver Cudi-Forscher. Natürlich kommen mir die Vorarbeiten von Rohl, Willis und vor allem Crouse zugute, doch darüber hinaus bieten sich durch die Möglichkeiten des Internet in den letzten vier bis fünf Jahren ganz neue Dimensionen der Forschung – vor allem durch Google Earth und Google Books, aber auch durch die Suchmaschine von Google, durch Wikipedia, flickr, facebook und Panoramio. Auch die Entdeckungen bei HPG wären ohne Internet natürlich nicht möglich gewesen.
In meinem Buch »Bible Earth« bin ich nur kurz auf den Berg Cudi eingegangen, habe ihn dann aber mit Google Earth sehr ausgiebig untersucht.
Anhand der auf dem Gipfel aufgenommenen Fotos von Bell, Bender, Thoma und der HPG konnte ich durch den Vergleich mit Bildmaterial von Google Earth sowie dem Panoramabild von 1909 den mutmaßlichen Landeplatz der Arche sehr genau lokalisieren. Da der Cudi ein größeres Gebirgsmassiv darstellt und von der Ferne ein eindeutiger Gipfel nicht erkennbar ist, war dies nicht ganz einfach, denn selbst Bill Crouse, der 2008 ins Gebiet am Fuße des Cudi gereist ist, hat von den Einheimischen vor Ort Koordinaten erhalten, die sich als falsch herausgestellt haben.
[Neue Erkenntnisse, unter anderem durch den Besuch in Sirnak im Herbst 2013, sind in meinem Buch »Das Rätsel der Arche Noah« und teilweise auf den weiteren Seiten von noah2014.com zu finden.]
Zu Teil 3: REKONSTRUKTION der Ereignisse